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Islamistinnen versuchten offenbar vor einer Woche, einen Wagen in der Nähe des Eiffelturms zur Explosion zu bringen.

© AFP

Terrorangst in Frankreich: Jung, weiblich, gewaltbereit

Die Festnahme eines islamistischen Frauen-Quartetts weckt in Frankreich die Angst vor neuen Anschlägen.

Soldaten, die in der Nähe der Bahnhöfe von Frankreichs großen und mittelgroßen Städte patrouillieren, gehören im Nachbarland mittlerweile zum Alltag. Seit über eineinhalb Jahren – seit dem dschihadistischen Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ – werden die Franzosen wegen immer neuer Attacken die Terrorangst nicht los. Seit der vergangenen Woche ist noch ein neues Schreckens-Szenario hinzugekommen – dass nämlich Anschläge nicht mehr wie in Paris und Nizza von Männern ausgeführt werden, sondern von radikalisierten Frauen. Zum Glück schlug der Plan mehrerer Islamistinnen fehl, Anschläge vor der Kathedrale Notre Dame in Paris sowie an einem der Bahnhöfe der Hauptstadt und der Umgebung zu verüben. Aber trotz der Festnahme der Frauen gibt es in Frankreich keinen Grund zur Entwarnung. Denn nach den Erkenntnissen der Ermittler wurde das Dschihadistinnen-Kommando direkt von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien ferngesteuert.

Valls: Die Bedrohung ist weiter äußerst groß

Die Bedrohung sei weiterhin äußerst groß, betonte Frankreichs Premier Manuel Valls am Sonntag in einem TV–Interview. Polizei und Sicherheitsbehörden seien tagtäglich damit beschäftigt, Anschläge zu vereiteln oder Verbindungen von Islamisten nach Syrien oder in den Irak aufzudecken, erklärte der Regierungschef. Nach seinen Worten haben sich knapp 700 Islamisten aus Frankreich dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen – darunter darunter 275 Frauen und mehrere Dutzend Minderjährige.

Unter der Beobachtung der französischen Sicherheitsbehörden stand auch die 29-jährige Ornella G.. Die dreifache Mutter hatte vergeblich versucht, nach Syrien zu reisen. Vor einer Woche stellte sie gemeinsam mit einer Komplizin einen mit Gasflaschen beladenen Wagen in der Nähe von Notre Dame in Paris ab und versuchte, das Fahrzeug zur Explosion zu bringen. Wegen der amateurhaften Ausführung scheiterte der Anschlagsversuch. Nach Angaben der Zeitung „Journal du Dimanche“ hatten die beiden Frauen zunächst versucht, den Wagen in der Nähe des Eiffelturms in die Luft zu jagen. Da es aber nicht möglich ist, in der Nähe des Nationalsymbols zu parken, änderten sie ihren Plan.

Am vergangenen Dienstag wurde Ornella G. in Südfrankreich festgenommen. Zwei Tage später nahmen Polizisten drei weitere Angehörige des Terroristinnen-Kommandos fest. Nach den Angaben von Ermittlern versuchten sie nach dem gescheiterten Attentatsversuch in der Nähe der Pariser Kathedrale, neue Ziele ins Visier zu nehmen – darunter Bahnhöfe in der Hauptstadt und im nahegelegenen Département Essonne. Den Angaben zufolge versuchten sie, sich Sprengstoffgürtel zu verschaffen.

Sarah H. war drei Islamisten zur Ehe versprochen

Wie gewaltbereit die Frauen waren, zeigte sich am Donnerstag während der Festnahme im Süden von Paris. Zwei von ihnen, darunter die 23-jährige Sarah H., gingen mit Messern auf die Polizisten los. Die Dschihadistin Sarah H. hatte bereits zuvor im Visier der Ermittler gestanden, nachdem sie im vergangenen Jahr von Frankreich nach Syrien hatte reisen wollen. Ihr Fall ist insofern bemerkenswert, als sie nacheinander drei Islamisten zur Ehe versprochen war – darunter jenem Attentäter, der im Juli an der Ermordung eines Pfarrers in einer Kirche bei Rouen beteiligt war und von Polizisten einer Spezialeinheit erschossen wurde.

IS rekrutiert nun auch Frauen als Kämpferinnen

Die Festnahme der vier Dschihadistinnen zeigt, dass der IS inzwischen auch Frauen gezielt als Kämpferinnen einsetzt. Die vier in Frankreich lebenden Frauen hatten über das Internet Kontakt aufgenommen. Die Ermittler gehen nun der Frage nach, ob der aus Frankreich stammende Rachid K., der sich im syrisch-irakischen IS-Gebiet aufhält, den Auftrag für den Anschlag erteilte.

Unterdessen steht in Frankreich der Terrorismus schon jetzt im Zentrum des Wahlkampfs, der acht Monate vor der Präsidentschaftswahl bereits voll entbrannt ist. Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der für die konservative Partei „Les Républicains“ antreten möchte, verlangt schon seit längerem, unter der Beobachtung der Sicherheitsbehörden stehende Terrorverdächtige wie Sarah H. nicht länger auf freiem Fuß zu lassen, sondern gleich in Gewahrsam zu nehmen. Der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins bezeichnete derartige Pläne als nicht praktikabel – woraufhin Sarkozy dem Staatsanwalt am Sonntag eine „Einmischung in die politische Debatte“ vorwarf. Auch die Sozialisten lehnen Sarkozys Pläne ab. Allerdings forderte Premier Valls, dass in Frankreichs Gefängnissen im kommenden Jahrzehnt 10.000 neue Plätze geschaffen werden müssten. Auf diesem Weg will Valls sicherstellen, dass radikalisierte Straftäter besser isoliert und damit Übergriffe auf das Gefängnispersonal verhindert werden können.

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