zum Hauptinhalt
Die jeminitische Islamisten-Website Shumukh al Islam veröffentlichte dieses undatierte Foto von "unserem Bruder" Abdulwahab.

© AFP

Terrorismus: "Attentäter von Stockholm hatte Helfer"

Taimour Abdulwahab lebte und studierte in Luton, der britischen Hochburg der Islamisten-Szene. Hinweise auf konkrete Verbindungen des Stockholmer Selbstmordattentäters zur Terrororganisation Al Qaida gibt es jedoch nicht.

Der Stockholmer Selbstmordattentäter Taimour Abdulwahab hat möglicherweise Komplizen gehabt. Zwei Tage nach dem Anschlag in der Einkaufszone von Schwedens Hauptstadt zeigte sich die Polizei am Montag relativ sicher, dass der 28-Jährige Helfer bei der Vorbereitung der Tat hatte. Deutsche Sicherheitskreise betonten jedoch, die Tat sei „aufwändig vorbereitet, aber unprofessionell ausgeführt“ worden. Das Know-How zur Herstellung der Sprengsätze sei weitgehend im Internet verfügbar. Konkrete Hinweise auf Hintermänner bei Al Qaida gebe es nicht. Kontakte seien zwar denkbar, doch bislang sehe der Doppelanschlag mehr „nach dem Werk eines Durchgeknallten aus“.

Bis vor zweieinhalb Wochen lebte Abdulwahab als unauffälliger Bürger in einem Reihenhaus in Luton, mit drei Kindern und seiner Frau Mona, die einen schwedischen Pass hat, arabischer Herkunft sein soll und laut dem Postboten „immer voll verschleiert“ an der Tür erschien. Das jüngste Kind kam erst im Juli auf die Welt. Abdulwahab wurde in Bagdad geboren, am Sonntag wäre er 29 Jahre alt geworden. 1992 war er aus dem Irak nach Schweden geflohen, 2001 kam er nach Großbritannien. In Luton studierte er Sporttherapie und wurde Physiotherapeut. Auf einer muslimischen Website für Partnervermittlung suchte er nach einer „praktizierenden Muslimin, um eine sich liebende Familie zu vergrößern“. Es ist unklar, ob er sich von seiner Frau getrennt hatte und deshalb nach Schweden zurückging oder ob er eine Nebenfrau suchte.

Abdulwahab war in Großbritannien regelmäßiger Besucher der Freitagsgebete. Lokale Muslime, wird berichtet, hätten ihn in der Moschee wegen „verquerer“ Ansichten zur Rede gestellt. „Ich bin ein Muslim und bin stolz darauf“, bekannte er auf seiner Facebook-Seite.

Abdulwahab ist nicht der erste muslimische Terrorist aus Luton. Britische Geheimdienste identifizierten die Stadt rund 60 Kilometer nördlich von London mit 20 000 Muslimen vor zwei Jahren als einen der wichtigsten Sammelpunkte von Extremisten in Großbritannien. Sie überprüfen nun, in welchen Kreisen Abdulwahab verkehrte, ob er Hintermänner hatte, ob er während seines Studiums an der Universität radikalisiert wurde wie der „Unterhosenbomber“ Umar Faruq Abdulmutallab, und ob er Beziehungen zum Jemen hatte. Die jemenitische Islamisten-Website Shumukh al Islam veröffentlichte ein Foto Abdulwahabs mit dem Text: „Unser Bruder, der Mudschahed Taimour Abdulwahab, der die Märtyreroperation in Stockholm verübt hat“.

Bekannt wurde Luton vor allem durch die lautstarken Proteste extremer Muslime bei „Heimkehr-Paraden“ britischer Truppen aus Afghanistan, die zu Prügeleien mit radikalen Rechten führten. Der einflussreichste Drahtzieher des britischen Muslim-Terrorismus, Mohammed Quayam Khan, lebte in Lutons Muslim-Distrikt Bury Park und operierte von einem Café in der Stadt aus. 2004 trafen sich in Luton die Londoner U-Bahn-Bomber und die später aufgeflogenen und verurteilten „Düngemittelbomber“. Als die U-Bahn-Bomber 2005 nach London fuhren, um in vier koordinierten Anschlägen 52 Menschen zu töten und 700 zum Teil lebensverändernd zu verletzen, parkten sie ihr Auto am Bahnhof von Luton.

Staatsanwalt Tomas Lindstrand in Stockholm sagte am Montag, den Geheimdiensten sei Abdulwahab vor dem Anschlag nicht bekannt gewesen. Mitten im vorweihnachtlichen Trubel hatten am Samstag zwei Explosionen die Stockholmer Innenstadt erschüttert. Durch eine Autobombe wurden wie durch ein Wunder lediglich zwei Menschen leicht verletzt, bei einer weiteren Explosion kam nur der Selbstmordattentäter ums Leben. Vermutlich sei der Selbstmordanschlag fehlgeschlagen, weil der Sprengsatz zu früh explodiert sei. „Er muss wohl Fehler gemacht haben, so dass eine der Bomben an seinem Körper zu früh detoniert ist.“

Ansonsten hätte es ein Blutbad im belebten Weihnachtshandel der schwedischen Hauptstadt geben können. An keinem anderen Tag der Woche und zu keiner anderen Uhrzeit als um 17 Uhr sind so viele Menschen in der Einkaufstraße Drottninggata und deren Geschäften unterwegs.

Die Leiche des Täters werde obduziert, man sei auch mit Terrorismusexperten der weltweit expandierenden, schwedischen Sicherheits- und Rüstungskonzerne zusammengekommen und habe moslemische Vereinigungen in Schweden um die Mithilfe gebeten, teilte die Polizei mit. Zudem sollen US-Spezialisten Schwedens Polizei bei der Aufklärung helfen. Wie Justizministerin Beatrice Ask am Montagabend mitteilte, hat die Bundespolizei FBI aus den USA sieben Bombenexperten nach Stockholm geschickt.

Lindstrand sagte, der Anschlag sei „sehr gut geplant“ gewesen. Die Ermittler gingen deshalb davon aus, dass der Attentäter Helfer gehabt habe. „Wir müssen davon ausgehen, dass er mit mehreren Leuten arbeitete“, sagte Lindstrand. und bestätigte, dass der Mann selbst gebaute Rohrbomben und einen Bombengürtel trug. Auch in seinem Rucksack fand die Polizei Bomben. Zudem hatte er einen technischen Gegenstand bei sich der wie ein „Schnellkochtopf“ aussah, so Lindstrand am Montag.

Wie das auf die Beobachtung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Montag mitteilte, könnte Abdulwahab im Auftrag des irakischen Arms von Al Qaida gehandelt haben. Der im Mai von US-Soldaten getötete irakische Al-Qaida-Anführer Abu Omar al Bagdadi hatte im September 2007 angekündigt, wegen der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen durch den schwedischen Karikaturisten Lars Vilks Rache an dem Land üben zu wollen. Auf diese Drohung habe sich Abdulwahab bezogen.mit fan

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false