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Ein türkischer Panzer kehrt nahe der Stadt Elbeyli von seinem Einsatz gegen den IS in der südlichen Grenzregion von Kilis zurück.

© Bulent Kilic/AFP

Update

Terrormiliz IS in Nordsyrien zurückgedrängt: Türkische Armee sichert Grenzstreifen - und hält die Kurden in Schach

Türkische Truppen haben den IS an der Grenze von Nachschub abgeschnitten. Ankara will damit auch seine Vormachtstellung gegenüber den syrischen Kurden demonstrieren.

Mit ihrem zweiten Vorstoß nach Nord-Syrien innerhalb weniger Tage haben türkische Verbände und arabische Verbündete den "Islamischen Staat" (IS) aus dessen letztem Herrschaftsgebiet an der türkischen Grenze vertrieben. Erstmals haben die Dschihadisten damit keine Möglichkeit mehr, sich über türkisches Territorium mit Waffen und neuen Kämpfern zu versorgen. Das könnte ein Wendepunkt im Kampf gegen die Extremisten sein. Die türkische Operation ist aber nicht nur gegen den IS gerichtet. Ankara will den USA zeigen, dass die syrischen Kurden im Krieg gegen den IS entbehrlich sind.

Nach der ersten türkischen Intervention bei der syrischen Grenzstadt Dscharablus am 24. August überquerten am Wochenende türkische Panzer weiter westlich in der türkischen Provinz Kilis die Grenze. Bis Sonntagabend hatten die türkischen Truppen und verbündete arabische Milizen der Freien Syrischen Armee (FSA) das Dorf El Kadi eingenommen, das letzte noch vom IS kontrollierte Dorf an der 911 Kilometer langen türkisch-syrischen Grenze. Alls Grenzabschnitte werden jetzt entweder von türkischen Verbündeten oder den syrischen Kurden und damit von Feinden des IS beherrscht.

Ein drei bis fünf Kilometer breiter Gebietsstreifen auf der syrischen Grenze sei gesichert worden, meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Die vom IS befreiten Gebiete würden weiter ausgebaut – der türkische Vorstoß geht also weiter.

Für den IS ist dies der schwerste Rückschlag seit langem. Die Extremisten hatten sich über Jahre über die Türkei mit Waffen und neuen Kämpfern versorgt: EU und USA hatten immer wieder gefordert, die Türkei solle die Grenze besser überwachen, um die so genannten „Terror-Touristen“ aus dem Westen und aus der Ex-Sowjetunion zu stoppen. Nun dürfte sich das Interesse der internationalen Anti-IS-Koalition auf die Eroberung der IS-„Hauptstadt“ Rakka konzentrieren.

Der Regierung in Ankara geht es aber nicht nur um den IS und darum, Vergeltungsanschläge der Dschihadisten in der Türkei zu erschweren. Derzeit zeigen die türkischen Soldaten und die arabischen Milizen, dass sie den IS in Rekordzeit in die Flucht schlagen können. Damit kontern sie das bisherige Argument der US-Regieurng, die syrischen Kurdengruppe PYD und deren bewaffneter Arm YPG seien für das Vorgehen gegen den IS unentbehrlich.

Die syrischen Kurden hatten kurz vor der ersten türkischen Intervention mit neuen Gebietsgewinnen den Unmut Ankaras auf sich gezogen: Die Türkei hat die PYD im Verdacht, zwei bisher getrennte kurdische Machtgebiete in Nord-Syrien vereinen und so die Bildung eines Kurdenstaates entlang der türkischen Grenze vorbereiten zu wollen. Die türkische Intervention macht dies zumindest vorerst unmöglich, weil die türkischen Truppen wie ein Block zwischen den beiden Kurdengebieten stehen. Ministerpräsident Binali Yildirim unterstrich am Wochenende erneut, die Türkei werde die Entstehung eines „künstlichen Staates“ in Syrien nicht erlauben.

Ganz nebenbei baut Ankara zudem die seit Jahren geforderte „Schutzzone“ in Syrien aus. Wie tief nach Syrien hinein Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Truppen schicken will, ist unklar. Nach Abschluss des G20-Gipfels in China sagte er am Montag, die Türkei spreche mit den USA und Russland über die Einrichtung einer Flugverbotszone über dem von den türkischen Truppen eroberten Gebiet in Nord-Syrien.

In früheren Plänen für die „Schutzone“ war von einer Tiefe von bis zu 40 Kilometern und einer Breite von 90 bis 100 Kilometern entlang der Grenze die Rede. In dieser Zone sollen nach den Plänen der Türkei syrische Flüchtlinge untergebracht werden. Das soll den weiteren Zustrom von Syrern in die Türkei stoppen. 

US-Regierungskreise lobten die neue türkische Operation als wichtigen Schritt bei der Bekämpfung des IS, wie das „Wall Street Journal“ meldete. Doch es ist nicht zu übersehen, dass die Regierung von Barack Obama das Heft des Handelns in Syrien immer weiter aus der Hand gibt. Akteure wie die Türkei und Russland nehmen an Bedeutung zu, weil sie – anders als die Obama-Regierung – zu einem militärischen Engagement bereit sind.

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