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Angeklagt. Die Skizze zeigt den mutmaßlichen Terroristen Khalid Scheich Mohammed am ersten Tag der Verhandlung.

© Janet Hamlin/dapd

Terrorprozess: Verweigern und missachten

In Guantanamo beginnt der neue Prozess gegen die fünf Terrorverdächtigen, die wegen der Anschläge vom 11. September 2001 angeklagt sind. Vor Gericht setzen die Männer auf Störmanöver. Und eine Verteidigerin fordert schicklichere Kleidung im Gerichtssaal.

Der Prozess gegen die Planer des Terrorangriffs von 9/11 hat als Kampf der Kulturen begonnen. Mit Störmanövern unterbrachen Khalid Scheich Mohammed und seine vier Mitangeklagten die Verlesung der Anklage am Samstag im US-Militärlager Guantanamo und zeigten demonstrativ, dass sie das Gericht nicht anerkennen.Beim ersten Anlauf der Justiz 2008 hatte Mohammed, ein 47 Jahre alter Pakistani,eine andere Strategie verfolgt. Er rühmte sich, dass er persönlich den Plan ausgeheckt habe, Verkehrsflugzeuge zu entführen und in die Türme des World Trade Center in New York sowie Regierungsgebäude in Washington zu steuern. Damals wollte er gestehen und möglichst rasch als Märtyrer zum Tode verurteilt werden. Bei dem Terrorangriff 2001 kamen 2976 Menschen ums Leben; alle ihre Namen sind in der Anklageschrift aufgeführt. Die Vereinten Nationen bewerteten die Attacken als kriegerischen Akt gegen die USA. Die Nato erklärte erstmals den Bündnisfall.

Nun griffen Mohammed und seine Mitverschwörer zu Mitteln der Obstruktion. Sie weigerten sich, auf die Fragen des Richters zu antworten, ob sie ihre Verteidiger akzeptieren – ihnen stehen sowohl Militärverteidiger als auch zivile Anwälte zur Verfügung – oder sich selbst verteidigen wollten. Mohammed tuschelte und scherzte während der 14-stündigen Verhandlung mit den anderen Angeklagten. Ihre Anwälte beklagten umgekehrt mehrfach die Haftbedingungen in Guantanamo und die Prozessvorschriften, zum Beispiel für die Kommunikation zwischen Angeklagten und ihren Verteidigern. Der Zivilanwalt David Nevin sagte, Mohammed wolle sich nicht an der Verhandlung beteiligen, weil er gefoltert worden sei.

Die Mitangeklagten Ramzi Binalshibh, ein Jemenit, und Ali, ein Pakistani, standen mitten in der Verhandlung auf und beteten laut. Zu einem anderen Zeitpunkt las Ali im „Economist“, als ginge ihn der Prozess nichts an, und reichte das Magazin an den Saudi Mustafa al Hawsawi weiter, der ebenfalls darin blätterte.

Einmal wandte sich Binalshibh an das Gericht. In einem emotionalen Ausbruch verglich er die Leitung von Guantanamo mit dem gestürzten libyschen Staatschef Muammar Gaddafi. „Gaddafis Ära ist zu Ende, nur in diesem Lager noch nicht. Vielleicht werden sie uns töten und behaupten, wir hätten Selbstmord begangen.“ Cheryl Borman, die Verteidigerin des angeklagten Jemeniten Attash, verlangte, die weiblichen Mitglieder der Anklage müssten sich „schicklicher“ kleiden, da es für die Angeklagten eine „Sünde“ sei, sie in ihrer aktuellen Kleidung anzuschauen. Diese drei Frauen trugen Röcke, die die Knie bedecken, Borman dagegen einen ihren ganzen Körper einhüllenden schwarzen Umhang.

Auch die US-Regierung hat ihre Prozessstrategie in den vergangenen Jahren mehrfach geändert. Präsident George W. Bush hatte Militärtribunale zur Aburteilung der in Guantanamo einsitzenden Terrorverdächtigen einrichten lassen. Er folgte der Auffassung, dass Al Qaida einen Krieg gegen die USA und andere westliche Länder führe und Terrorakte gegen Zivilisten Kriegsverbrechen seien. Bürgerrechtsorganisationen und Anwaltsverbände in den USA klagten gegen Bushs Vorgaben für den Umgang mit Gefangenen und für die Prozesse. Sie gewannen gut die Hälfte dieser Verfahren. Die Klärung der Rechtslage dauerte mehrere Jahre. Deshalb kam es erst 2008 zum ersten Prozess gegen die 9/11-Attentäter.

Wenige Monate später gewann Barack Obama die Präsidentenwahl. Er wollte die 9/11-Verschwörer vor ein ziviles Strafgericht in New York stellen und Guantanamo schließen. Doch im Kongress verweigerten ihm die Abgeordneten und Senatoren die Mehrheit dafür. Ein Prozess mitten in Manhattan galt als zu großes Sicherheitsrisiko, nachdem es neue Anschlagsversuche in den USA gegeben hatte. So kommt es nun zu Prozessen vor Militärkommissionen in Guantanamo. Obama hat jedoch eine neue Prozessordnung ausarbeiten lassen, die den Angeklagten wesentlich mehr Rechte gibt und die Verwendung von Beweisen, die unter Folter zustande kamen, verbietet.

Der nächste Prozesstag war für den 1. August vorgesehen. Die Verteidigung hat aber die Verschiebung um ein Jahr beantragt, um sich besser vorbereiten zu können. Darüber berät das Gericht im Juni. Beobachter erwarten, dass Richter James Pohl die Verschiebung genehmigt.

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