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Politik: Teure Sitzung

Die Vorschläge der Länder im Bundesrat könnten die Kosten der Energiewende nach oben treiben

Berlin - Phillip Rösler war ein bisschen schmallippig am Freitag im Bundesrat. In der dreistündigen Debatte zum Atomausstieg und dem Umbau des Energiesystems, einer der längsten in der Geschichte der Länderkammer, war er kurz vor Schluss dran, um das Gesetzespaket der Bundesregierung zu verteidigen. Zuvor hatten sich alle Länder auf 14 gemeinsame Kernforderungen verständigt, Dutzende von detaillierten Änderungsanträgen kamen hinzu. Eine geschlossene Front des Bundesrats, wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zufrieden feststellte – trotz aller Interessenunterschiede in der Energiepolitik. Da der Bund die Länder braucht, muss er auf einen Teil der Forderungen eingehen. Das dürfte die Energiewende teurer machen. Also mahnte Rösler, man müsse auch die Bezahlbarkeit im Blick behalten.

Aber die Situation der Länder bei der Energieversorgung nach dem Ende der Atomära ist nun einmal sehr differenziert. Die Einzelwünsche addieren sich. Jede Region hat, je nach Klima, Natur, Wirtschafts- und Siedlungsstruktur, ihren eigenen Energiemix vor Augen. Die Schwerpunktverlagerung zur Offshore- Windenergie etwa, die dem Bund vorschwebt, stößt bei den meisten Ländern nicht auf Zustimmung – auch Onshore- Anlagen sollten auf dem bestehenden Niveau weiter gefördert werden, fordert der Bundesrat, die Mittel für Solarenergie sollen nicht sinken (der Bund will sie herunterfahren), und für kleinere Bioenergieanlagen wollen die Landespolitiker auch gern mehr Geld fließen lassen als der Bund. Was freilich wohl bedeutet, dass der ebenfalls unisono vorgetragene Wunsch der Länder, die Energiewende solle doch vor allem den Bundeshaushalt belasten, ein Wunsch bleiben dürfte.

In jedem Fall sind sich die Länder einig, dass der Atomausstieg einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert. Auch wollen sie einen zügigen Netzausbau. Dass Rösler den Ländern dafür dankte, dass sie die dafür notwendige Trassenplanung dem Bund überlassen, war möglicherweise etwas verfrüht. Denn in den Landesregierungen glaubt nur eine Minderheit daran, dass der beschleunigte Neu- und Ausbau überregionaler Stromleitungen gelingt, wenn der Bund dafür erst einmal eine Behörde aufbauen muss, während die Länder haufenweise erfahrene Planer haben. Der Bund habe noch „kein überzeugendes Argument“ geliefert, warum es schneller gehen solle, wenn der die Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren übernehme, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Gerade die Südländer dringen auf Eile, denn sie müssen den relativ hohen Atomanteil in ihrem Energiemix rasch ersetzen. Bleibt Rösler hart (er habe halt Profilierungsbedarf, spotten Landespolitiker), wird er auch erklären müssen, warum er als Minister eine neue Bundesbehörde gründen will, die er als Vorsitzender der Bürokratieabbaupartei FDP eigentlich ablehnen müsste.

In den kommenden beiden Wintern zumindest rechnet Rösler mit der Gefahr von Stromengpässen, Versorgungssicherheit sei daher eminent wichtig. Aber ein Akw als Notreserve? „Niemand von uns will das“, hat die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) diese Forderung Röslers kommentiert. Es gibt da technische Gründe – ein Akw lässt sich nicht einfach mal hochfahren, wenn es kurzzeitig Engpässe gibt. Zudem ist man in den Ländern sicher, dass die bestehenden und geplanten fossilen Kraftwerke reichen. Rösler will die Frage nun der Bundesnetzagentur überlassen.

Es war nicht Röslers Tag im Bundesrat. Die FDP sieht sich in der Energiepolitik derzeit einer breiten schwarz-rot-grünen Front gegenüber. Dagegen frohlockte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einmal mehr. Er hat es ja früher gewusst. Sein Ehrgeiz reicht nun auch weit über die deutschen Lande hinaus. Wenn das „nationale Gemeinschaftsprojekt“ der Energiewende gelinge, prophezeite er, wenn der größte Industriestaat Europas das stemme, „dann wird das auch internationale Ausstrahlung haben“. „Und es wird unsere Gesellschaft vitalisieren“, meinte Röttgen. Aber erst einmal muss die Bundesregierung schauen, wie weit sie dem Bundesrat entgegenkommt.

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