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Politik: Thailand: Alle lieben Thais lieben Thais

"Thaksin Shinawatra war der erste Thai, der einen Satelliten ins All geschickt hat. Überlegt, was er erst recht für euch hier unten auf der Erde tun kann!

"Thaksin Shinawatra war der erste Thai, der einen Satelliten ins All geschickt hat. Überlegt, was er erst recht für euch hier unten auf der Erde tun kann!" Wer wollte da lange überlegen? Schließlich regte sich ja die Hoffnung, dass die Magie des Mannes, der es innerhalb von 20 Jahren vom kleinen Polizisten zum reichsten Mann Thailands gebracht hat, sich auch auf das eigene armselige Leben auswirken würde. Kein Wunder, dass der 51-jährige Medienzar und Milliardär Thaksin Shinawatra die thailändischen Wahlen am Wochenende mit einer noch nie dagewesenen Mehrheit gewonnen hat. Weit über 200 Parlamentssitze gehen an seine erst vor zwei Jahren gegründete Thai-Rak Thai (Thais lieben Thais)-Partei im 500 Abgeordnete fassenden Parlament, nur etwas über hundert an die bisher regierenden Demokraten.

Es waren wohl die saubersten Wahlen bisher, zum erstenmal überdies unter einer unabhängigen Wahlkommission. Von einem "neuen Kapitel in der thailändischen Geschichte" sprach denn auch die "Bangkok Post" in ihrem Sonntags-Kommentar. Damit hat Thailand zwar den Demokratie-Test unter seiner neuen Verfassung bestanden; und auch das Militär, das früher bei solchen Gelegenheiten die Panzer hätte rollen lassen, marschiert nicht mehr. Aber mit Thaksins Wahl ziehen neue Wolken auf über dem schwer gebeutelten Land. Thaksin wurde in Thailand wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten von der neuen "Nationalen Kommission gegen die Korruption" beschuldigt. Sollte das Verfassungsgericht sich dieser Auffassung anschließen und den Wahlsieger für fünf Jahre von jedem politischen Amt ausschließen, dann käme auf das Land eine Verfassungskrise großen Ausmaßes zu.

Noch am Sonntag hat Thaksin begonnen, Koalitionsverhandlungen mit den stark reduzierten kleinen Parteien aufzunehmen, um seine neue Regierung auf die größtmögliche Basis zu stellen. Der neue Regierungschef behauptet, dass er als Geschäftsmann das Land besser "managen" könne, als die bislang regierenden Demokraten. "Ich kenne mich eben aus in der Welt und verstehe das Volk", sagt er und strotzt vor Selbstbewusstsein. Das sind neue Töne in einem Land, in dem seit dem politischen Umbruch vor drei Jahren unter dem stillen und deshalb als arrogant verschrienen Chuan Lekpai eher Understatement angesagt war. Chuan hat es nicht schlecht gemacht, ein hartes aber notwendiges politisches, soziales und wirtschaftliches Reformprogramm durchgezogen - aber schlecht verkauft hat er sich dabei. So kam es, dass der Premier und seine junge Technokraten-Mannschaft als langweilig galten. "Es war einfach Zeit für einen Wechsel. Wir Thais brauchen regelmäßig einen Kick", sagte ein Thaksin-Anhänger.

Einen "Kick" will Thaksin seinem Land in der Tat verpassen, fragt sich nur, ob es das ist, was Thailand jetzt braucht. Schon seinen Wahlkampf hatte er so geführt, als gälte es, ein neues Produkt zu verkaufen. Nun will er groß umkrempeln. Dass er hemmungslos populistisch denkt, daraus macht der Selfmademan kein Hehl. Jedem der 70 000 Dörfer des Landes hat er eine Million Baht (50 000 Mark) versprochen, und die Schulden der Bauern sollen für drei Jahre gestundet werden. Das hat ihm die Stimmen dieses zahlenmäßig größten Bevölkerungsteils gesichert.

Aber er hat auch die Stimmen der schwer mitgenommenen Wirtschaft und der Industrie gewonnen. Die hatten mit ihren Spekulationsgeschäften und ihren Mauscheleien die Wirtschaftskrise ausgelöst, die vor drei Jahren dann fast ganz Asien in ihren Sog riss. Nun will Thaksin sie vor dem selbstverschuldeten Bankrott retten, ihre faulen Kredite bezahlen und sie vor ausländischer Konkurrenz schützen.

Doch woher soll all das Geld kommen, zumal Thaksin auch noch versprochen hat, die Steuern zu senken? Schon jetzt liegt die öffentliche Verschuldung bei 50 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die asiatische Krise hat die Zahl der mächtigen - meist thai-chinesischen - Familienimperien von rund 50 auf ein gutes Dutzend schrumpfen lassen. Diese Tycoons sind wegen der ihnen zuteil gewordenen Patronage dem neuen Premier Thaksin mehr verpflichtet denn je, so dass die unselige Verknüpfung von Politik und Wirtschaft wie eh und je gedeiht. Dass sich Thaksin vermutlich den angesehenen Notenbank-Präsidenten Chatu Mongol als neuen Finanzminister holen wird, gilt als kluger Schachzug und wird vor allem die ausländischen Investoren beruhigen.

Doch zuerst muss das Verfassungsgericht über das Untersuchungsergebnis der Anti-Korruptions-Kommission entscheiden, ob Milliardär Thaksin seine Vermögensverhältnisse tatsächlich vertuscht hat. Um sich frei zu schwimmen hat er Teile seines Besitzes überstürzt an Dienstmädchen und Angestellte übertragen.

Gabriele Venzky

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