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Politik: Theodor Wolff: Mit dem Bleistift für die Demokratie

Gegen "Dummheit, Rückgratschwäche und Furcht" - so fasste der Chefredakteur des liberalen "Berliner Tageblatts", Theodor Wolff, sein Credo zusammen. Und er fügte, ein Jahr vor der Machtübernahme der Nazis hinzu: "Entschiedene Republikaner haben die Pflicht zur Selbstverteidigung.

Gegen "Dummheit, Rückgratschwäche und Furcht" - so fasste der Chefredakteur des liberalen "Berliner Tageblatts", Theodor Wolff, sein Credo zusammen. Und er fügte, ein Jahr vor der Machtübernahme der Nazis hinzu: "Entschiedene Republikaner haben die Pflicht zur Selbstverteidigung. Es geht wirklich um das Schicksal Deutschlands."

Wolff war eine Institution in der Weimarer Republik, er zählte bereits zur älteren Generation, 1932 war er dreiundsechzig Jahre alt. Er war ein Mann des Kaiserreichs, aber keineswegs hurra-patriotisch. Traditionen bewahren war sein Ziel, aber auch: demokratische Strukturen aufbauen.

Seit 1906 leitete er das "Berliner Tageblatt", er war ein Redakteur durch und durch. "Seine Welt sind die Sprache und der Schreibtisch", fasst sein Herausgeber und Biograf Bernd Sösemann zusammen, "seine Heimat sind Redaktion und Stehpult, sein bevorzugtes Handwerkszeug ist der Bleistift. Die Reden halten andere, die Sitzung leitet er nicht, auf den Platz im Vorstand verzichtet er gern." Dabei zählte Wolff zu den Meistern eines mildtätigen "Einerseits-Andererseits". Kurt Tucholsky beispielsweise sprach 1923 bereits bewusst in der Vergangenheit, als er frotzelte: "Er war gepflegt und rührte an alles, ohne anzustoßen."

Später gab Tucholsky Theodor Wolff und anderen kompromissbereiten Kräften in der bürgerlichen Presse sogar einen Teil der Schuld an der Militarisierung der Republik. Doch eindeutig und kompromisslos hatte sich Wolff frühzeitig gegen die Machtansprüche der Nazis ausgesprochen. Im September 1930, zehn Tage nach dem Erfolg der Nazis bei der Reichstagswahl, warnte Wolff eindringlich davor, zu glauben, die Nazis würden, einmal an die Macht gelangt, schnell "abwirtschaften".

Verloren hatten am Ende schließlich alle, die versucht hatten, Hitler und seine Helfershelfer zu verhindern. Theodor Wolff musste im März 1933 fliehen. Im Frühjahr 1943 wurde der fast 75-Jährige in Nizza festgenommen, an die Gestapo ausgeliefert, schließlich ins KZ Oranienburg bei Berlin verschleppt. Am 23. September 1943 starb Theodor Wolff an den Folgen der KZ-Haft, auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee liegt er begraben.

Bernd Sösemann hat sich seit langem mit dem Leben und Werk Theodor Wolffs befasst. Drei Auswahlbände mit den Texten Theodor Wolffs legte er vor, zunächst Berichte und Leitartikel aus dem "Berliner Tageblatt", dann Feuilletons, Gedichte und Aufzeichnungen, schließlich Tagebuchnotizen aus dem Ersten Weltkrieg. Nun also die Biografie. Es ist eine Studie für die Fachwelt, nicht unbedingt ein stilistischer Genuss wie von Wolff selbst verfasst, leider auch ohne Zeittafel und merkwürdigerweise mit nachlässig gegebenen Quellenangaben. Man bekommt aber einen guten Überblick über "ein Leben mit der Zeitung".

In fünf Abschnitte fasst Sösemann die Lebensepochen des Journalisten: seine (gescheiterten) Gehversuche als Dichter; sein erwachendes politisches Bewusstsein bis 1906; den Versuch, mit der Zeitung für die Demokratie zu wirken; dann sein Kampf gegen Links- und Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik; schließlich das Exil. Etwas zu gradlinig wirkt das, ein Leben in einen "Zwölf-Jahres-Rhythmus" zu pressen, etwas zu geschönt auch und folgerichtig, aber doch sehr zeitnah, weil Sösemann sich auf viele Dokumente stützt und damit die Geschichte erzählt. Beeindruckend in der Studie sind die privaten Zeugnisse, Zitate aus Briefen oder Tagebüchern. Sösemann hat mit seiner Biografie einen Steinbruch vorgelegt, andere können die Spurensuche fortsetzen.

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