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Politik: Thierse: Abgeordnete sind keine Heiligen

Bundestagspräsident äußert Verständnis für Verfehlungen bei Bonusmeilen / Datenschützer rügt Lufthansa

Berlin. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat Verständnis für Abgeordnete geäußert, die dienstlich erworbene Bonus-Meilen für private Flüge genutzt haben. Verglichen mit Parteispenden- und Korruptionsaffären sei die Verletzung einer freiwilligen Vereinbarung von geringerem Gewicht, sagte Thierse der „Bild am Sonntag". Es handele sich um „ein Ereignis fürs Sommerloch". Abgeordnete seien ganz normale Menschen, die im Stress auch schon mal Fehler begingen. „Von Abgeordneten darf man nicht erwarten, dass sie Heilige sind.“ Mehr als unkollegiales Verhalten könne man den Betroffenen nicht vorwerfen.

„Bild“ meldete, Thierse, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt hätten glaubwürdig darlegen können, dass ihre Freiflüge aus privat gesammelten Meilen bezahlt wurden. Gerhardt widersprach indes der Darstellung der Zeitung, er sei mit seiner Frau auf Meilen nach Südafrika geflogen. Diese habe privat gebucht, sagte Gerhardt der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber sagte in der ARD, es seien Unkorrektheiten vorgefallen, die aufgearbeitet werden müssten. „Mir geht es nur darum, dass wir nicht jetzt diese Diskussion an die Stelle der Diskussion über ganz große Themen setzen“, sagte Stoiber. Deutschland sei wegen der hohen Arbeitslosigkeit und des schwachen Wachstums in einer schwierigen Lage.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, die Zahl von 4000 Mitarbeitern, die Einblick in das Miles-&-More-Programm von Lufthansa hätten, sei „unverhältnismäßig hoch". Er könne der Lufthansa nur raten, die Zahl der zur Einsicht befugten Personen spürbar zu verringern. Jacob begrüßte die angekündigte Strafanzeige der Lufthansa wegen der Weitergabe der Daten und zeigte sich verwundert, dass die Mehrheit der öffentlich beschuldigten Abgeordneten offenbar kein Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung habe. Thierse hatte darauf hingewiesen, dass nur die Geschädigten, also die Lufthansa und die Abgeordneten, oder der Datenschutzbeauftragte Anzeige erstatten könnten, nicht aber er im n der Bundestagsverwaltung.

Der Spitzenkandidat der Grünen, Außenminister Joschka Fischer, sagte im ZDF: „Es scheint hier, dass die Proportionen schlicht und einfach verschoben sind.“ Er wies auf Vorwürfe gegen Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl und den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch in der CDU- Spendenaffäre hin sowie auf „Amigo- Affäre“ in Bayern und auf die Verluste der bayerischen Landesbank bei der Kirch-Pleite. „Also da können Sie viele Freiflüge dafür veranstalten“, bemerkte Fischer dazu.

Der „Bild“-Zeitung warf Fischer im Zusammenhang mit Berichten über Umweltminister Jürgen Trittin „schmutzigen Wahlkampf“ und eine „miese Kampagne“ vor. „Jürgen Trittin hat zweifelsfrei dargelegt, dass er private Bonusmeilen verflogen hat, seine ausschließlich private Angelegenheit.“ Zu einer Entlastung habe das nicht geführt. „Nein, die Kampagne der «Bild« geht gerade munter weiter“, kritisierte der Grünen-Politiker und Außenminister. Robert von Rimscha

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