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Politik: Thierse fordert "radikale Aufklärung" - Kohl will Spendernamen weiter nicht nennen

Mit schweren Vorwürfen gegen Ex-Kanzler Helmut Kohl hat sich erstmals auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zur CDU-Parteispendenaffäre geäußert. Als Herr des Verfahrens über mögliche Nach- und Strafzahlungen der CDU im Rahmen des Parteiengesetzes sprach Thierse im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" von einem "ungeheuerlichen Vorgang", der einen Schatten auf die Parteien werfe und Vorurteile gegen die Demokratie schüre.

Mit schweren Vorwürfen gegen Ex-Kanzler Helmut Kohl hat sich erstmals auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zur CDU-Parteispendenaffäre geäußert. Als Herr des Verfahrens über mögliche Nach- und Strafzahlungen der CDU im Rahmen des Parteiengesetzes sprach Thierse im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" von einem "ungeheuerlichen Vorgang", der einen Schatten auf die Parteien werfe und Vorurteile gegen die Demokratie schüre.

Der Parlamentspräsident warf Kohl vor, "jahrelang systematisch gegen das Parteiengesetz und das Grundgesetz" verstoßen zu haben, und forderte vom früheren CDU-Vorsitzenden "die Offenlegung aller bislang verschwiegenen Details". Der SPD-Politiker warnte Kohl davor, "die begangenen Gesetzesbrüche als Fehler abzutun und zu verharmlosen". Notwendig sei radikale Aufklärung, "damit Schaden von der deutschen Demokratie abgewendet wird".

Bei der Entscheidung über mögliche Sanktionen gegen die CDU will sich Thierse laut "Spiegel" von renommierten Verfassungsrechtlern beraten lassen. Als ersten Termin für mögliche Konsequenzen nannte er den 15. Februar nächsten Jahres. An diesem Tag solle die CDU eine Abschlagszahlung auf staatliche Zuwendungen erhalten. Auf Grund der offenbar lückenhaften Rechenschaftsberichte bestehe "theoretisch die Möglichkeit", dass die Partei ihren Anspruch auf Staatsgelder komplett verliere, sagte Thierse dem Magazin. Es könne aber nicht sein Bestreben sein, eine große Volkspartei "finanziell zu ruinieren".

Kohl bekräftigte unterdessen, dass er die Namen der Bargeldspender, die ihm zwischen 1993 und 1998 bis zu zwei Millionen Mark übergeben haben, auch weiterhin nicht nennen will. Der "Bild"-Zeitung sagte Kohl, er werde "ein gegebenes Wort nicht brechen". Der Altkanzler fühlte sich in seiner Haltung durch eine Telefon-Umfrage der Zeitung bestätigt, nach der 58 Prozent der 68 000 beteiligten Bürger ihm zugestanden, die Anonymität der Geldgeber wahren zu sollen. "Ich freue mich über das Ergebnis. Es bestärkt mich in meiner Überzeugung", sagte Kohl zu "Bild".

Der heutige Ehrenvorsitzende der CDU gerät derweil immer mehr ins Visier der Strafverfolgungsbehörden. Wie ein Sprecher der Bonner Staatsanwaltschaft am Donnerstag sagte, soll in der kommenden Woche entschieden werden, ob gegen den Altkanzler wegen dessen Verstrickung in die Parteispendenaffäre ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Zu einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung", nach dem es bereits beschlossene Sache ist, gegen Kohl wegen Untreue zu ermitteln, wollte die Bonner Staatsanwaltschaft nicht Stellung nehmen. Die Prüfung der vorliegenden Unterlagen sei noch nicht abgeschlossen, sagte der Sprecher.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) forderte generelle Änderungen bei der Parteienfinanzierung. Schmidt plädierte im Fernsehsender Phoenix dafür, dass nur der an Parteien spenden dürfe, der "als Person auch dafür gerade" stehe. "Nicht ein Verein, nicht eine Organisation, nicht eine Firma, nicht eine Aktiengesellschaft." Diese könnten schließlich auch nicht wählen, sagte der Altkanzler zur Begründung. "Wählen kann nur der Deutsche, der das Wahlrecht hat. Der darf meinetwegen so viel Geld spenden, wie er will." Überhaupt sei er dafür, dass die Parteien weniger Geld erhielten, sagte Schmidt.

Robert Birnbaum Rüdiger Scheidges

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