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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) handelt bei der Flüchtlingskrise im Korridor seiner Möglichkeiten.

© dpa

Thomas de Maizière in der Flüchtlingskrise: Nur Verwalten ist zu wenig

Sich auf das Feld von Recht und Ordnung zurückzuziehen, ist zu wenig. Bundesinnenminister Thomas de Maizière verliert gerade an Autorität. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wer übernimmt die Verantwortung? Wer trägt die Schuld? Nach Lage der Dinge kann das nur der Bundesinnenminister, Thomas de Maizière, sein, niemals die Kanzlerin. Angela Merkel ist in ihrer Funktion mindestens für die CDU sakrosankt. Und mag es auch ihr geschuldet gewesen sein, dass tausende Syrer sich eingeladen fühlten, nach Deutschland zu kommen, mag das aus Sicht der CSU und großer Teile der CDU auch ein Fehler gewesen sein – der Ursprung lag nicht bei ihr.

Merkel reagierte in dieser Lage, einer Notlage, intuitiv europäisch. Sprich: Sie reagierte human. De Maizière reagierte in jedem Fall zu spät. Der Innenminister, der doch vorher Verteidigungsminister war, also den nahöstlichen Krisenbogen aus jedem Blickwinkel kennen musste – er sah die Dimension dessen, was auf Deutschland zukommen könnte, trotzdem nicht voraus. Und handelt jetzt schlicht im Korridor seiner Möglichkeiten. Das straft die Kanzlerin gewissermaßen Lügen, die sich deutsche Flexibilität gewünscht hatte. Die ist de Maizières Sache nicht. Der Minister gibt allen recht, die immer schon sagen: Er ist Verwalter, nicht Gestalter. Oder anders: Er handelt nicht nach Art eines Politikers, wie er in diesen Wochen, Monaten, vielleicht Jahren gebraucht würde, kreativ und innovativ. Sich auf das Feld von Recht und Ordnung zurückzuziehen, ist zu wenig. Gerade verliert de Maizière nach innen und nach außen Autorität, im Ministerium und bei den Kollegen. Nur sein Amt, das hat er noch nicht verloren. Vielleicht wird er noch gebraucht. Als der, der allen Unmut auf sich zieht.

Wo sind eigentlich die 630 Bundesabgeordneten?

Aber er ist ja auch nicht der Einzige, der den Worten, „es muss etwas geschehen, es wird etwas geschehen“, Taten folgen lassen kann. Wo sind eigentlich die 630 Bundestagsabgeordneten, wo sind ihre Ideen zur Bewältigung der Jahrhundertfrage? Nicht Lichtgeschwindigkeit, Nichtgeschwindigkeit ist ihr gegenwärtiger Status. Dabei muss doch jetzt dringend politisch zur Strategie gerinnen, was bei Merkel gewiss noch keine war.

Hier wie auch in ein, zwei anderen Punkten kann sich übrigens der Justizminister verdient machen, Heiko Maas. Soll sich der Innenminister um die Ertüchtigung der Unterkünfte kümmern, um die Ermunterung von Sportvereinen zur Integration, um die Befreiung von Bundespolizisten von Aufgaben wie dem Stempeln von Kassenbelegen an der Grenze – der Justizminister kann den (Rechts)-Weg frei machen. Er ist der zweite Vetominister im Kabinett, neben dem Finanzminister, was ihm eine starke Stellung verschafft. Den Rechtsweg frei machen kann Maas etwa, wenn er den speziellen Verwaltungsrechtsschutz bei Asylanträgen der aktuellen Herausforderung anpasst. Da ist, Flexibilität vorausgesetzt, dem Gesetzgeber eine Straffung möglich. Zumal es um höhere Geschwindigkeit geht.

Die Verfassung soll den Menschen dienen - nicht umgekehrt

Nötig wäre eine Innenpolitik wie zu Zeiten der deutschen Vereinigung. Das Recht und die Möglichkeiten im Blick – aber mutig voran. Der Bund darf den Kommunen nicht direkt Geld geben? In dieser Lage geht es doch gar nicht anders. Und weil die Verfassung den Menschen dienen soll, nicht umgekehrt – soll mal einer klagen, dass den Kommunen in dieser Notlage geholfen wird! Besser: geholfen worden ist. Bis das Verfassungsgericht womöglich neues Recht setzt, dauert es Jahre. So lange kann keiner warten.

Denn es muss etwas geschehen. Sonst wird noch ganz anderes geschehen.

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