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Thüringen: KZ Buchenwald könnte Unesco-Kulturerbe werden

Thüringen möchte, dass das ehemalige Lagergelände des Konzentrationslagers Buchenwald in Weimar in die Welterbeliste aufgenommen wird. Ist das sinnvoll?

Die berühmte Liste der Unesco ist lang. Sie umfasst 962 Kultur- und Naturerbestätten aus 157 Staaten, Tendenz zunehmend. Deutschland ist mit historischen Altstädten, den großen Domen, den Potsdamer Schlössern und Gärten vertreten, aber auch mit Industriedenkmälern, der Berliner Museumsinsel und dem Wattenmeer. Daneben führt die Unesco noch zwei weitere Listen: die der gefährdeten Welterbegüter und die des immateriellen Kulturerbes, wozu etwa die französische Reitschule und der Fado aus Portugal zählen. Die Liste ist sehr lang: Auschwitz-Birkenau steht da bereits, unter Polen – mit dem wichtigen Hinweis, dass es sich um ein ehemaliges deutsches Konzentrations- und Vernichtungslager handelt.

Die Grundvorstellung der Welterbekonvention aus dem Jahr 1972 ist die Idee, „dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen“. Kriterien dafür sind nicht ganz leicht zu formulieren. Die Unesco prüft zum Beispiel die „Einzigartigkeit“, die „Authentizität“, also historische Echtheit eines Kulturdenkmals oder auch die „Integrität“ einer Naturerbestätte. Bei Eingriffen in die Natur kann die Organisation den Ehrentitel auch wieder aberkennen. So ist es mit dem Dresdner Elbtal geschehen, wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke. Da war die schöne Plakette futsch, die ja nicht wirklich vor Naturkatastrophen oder Krieg schützt.

Selbstverständlich findet sich das „klassische Weimar“ im Welterbe-Kanon, die Stadt von Goethe und Schiller – aber eigentlich auch die Stadt Nietzsches und des Bauhauses. Nun hat die thüringische Landesregierung beantragt, das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald in den Rang einer Weltkulturerbestätte zu erheben. In Weimar gehört es längst zum guten Ton, nicht nur vom Dichter des „Faust“ zu sprechen, sondern eben auch von jenem schrecklichen Ort mit dem poetischen Namen: Buchenwald.

Jorge Semprun, der spanische Schriftsteller und Politiker, hat Buchenwald überlebt. Er hat den Alltag in der Vernichtungsmaschinerie und die Schönheit der deutschen Dichtung miteinander konfrontiert. Weil das an dieser Stelle so schwer zu trennen ist, das Erhabene und das Barbarische. Aber Buchenwald als Weltkulturerbe – das löst Befremden aus. Es könnte missverstanden werden, bei so vielen schmucken und schönen Kulturstätten in unmittelbarer Umgebung. Goethe-Nationalmuseum und Buchenwald sind kein Ensemble. Und haben nicht die Stadt Weimar, das Land Thüringen, die Bundesrepublik Verpflichtung und Gelegenheit genug, den Schreckensort zu erhalten, Menschen dorthin zu führen und Weimar nicht bloß als Schmuckkästchen zu verkaufen? Es gibt in Deutschland eine ausgeprägte offizielle Erinnerungskultur, dazu bedarf es nicht der Hilfe von der Unesco aus Paris. Rüdiger Schaper

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