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Politik: Thüringens SPD-Chef Dewes sieht die Chancen für Rot-Rot schwinden und ist sauer auf die eigenen Oberen

Richard Dewes hat ein Machtwort gefordert. Der Kanzler soll es sprechen, und zwar möglichst bald.

Richard Dewes hat ein Machtwort gefordert. Der Kanzler soll es sprechen, und zwar möglichst bald. Denn für Dewes, Innenminister in Erfurt und SPD-Landeschef, hat gerade die heiße Phase des Wahlkampfes begonnen. Der Auftakt ist ihm jedoch verhagelt worden: Das Sommertheater der SPD macht es sozialdemokratischen Wahlkämpfern derzeit nicht einfach, vor die Bürger zu treten. So forderte ein wütender Dewes am Wochenende ein Ende der Steuer-Struck-und-so-weiter-Debatte. Und er forderte das Machtwort mit mächtigen Worten: "Ich wünsche mir, dass diszipliniert wird innerhalb der SPD, denn nur so kann die Bundesregierung politikfähig bleiben", sagte er im Inforadio Berlin. Schröder solle disziplinieren, und jene, "die Gewicht haben wie Franz Müntefering". Der Kanzler solle in den Wahlkämpfen Reden halten, "in denen klar wird, was notwendig ist", schob Dewes noch hinterher. So redet nur einer, der mächtig sauer ist auf die Oberen in Berlin.

Es kam freilich etwas überraschend, dass ausgerechnet der einst im Saarland aktive Dewes nun ein Ende der Debatte fordert, an der er sich nach Kräften beteiligt hat. War er doch unter jenen, die vor einigen Wochen, als das Theater begann, mit mächtigen Worten die einfachen Menschen beeindrucken wollten mit dem Ruf nach Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das sei als ein Signal gedacht gewesen, verteidigt Dewes diesen Vorstoß nun. Mehr als ein Signal freilich nicht, weil auch Thüringen diese Steuer kaum einführen würde - schon mangels Masse an zu besteuernden Millionären.

Nicht nur mit dem Sommertheater hat die Bundes-SPD, in deren Spitze die Wahl in Thüringen möglicherweise schon als "erfolglos erledigt" abgehakt ist, den quirligen Dewes geärgert. Ausgerechnet Müntefering verkündete vor kurzem einen Baustopp des Erfurter Teils der ICE-Trasse Berlin - München. Teil des Sparpakets, hieß es aus dem Bund. Zähneknirschend musste Dewes beipflichten. Schließlich sind die Verhältnisse so klar und deutlich wie damals, als noch ein gewisser Kohl die Machtworte zum Sommerende sprach: "Ein neues Bundesland wie Thüringen ist darauf angewiesen, dass der Draht nach Berlin nicht unterbrochen wird", sagte Dewes dieser Tage - gemeint als Vorwurf an die CDU, klang es fast wie tiefere Einsicht in eigene Abhängigkeiten.

Auch vom Flirten mit der PDS ist in Erfurt kaum noch die Rede. Dabei galt es noch vor kurzem als ausgemacht, dass eine rot-rote die ächzende große Koalition ablösen könnte, dass Dewes mit der PDS regieren werde. Nun klingt das etwas anders. Zwar verweist Dewes auch weiterhin auf die Beschlusslage seiner Partei: Wahlergebnis abwarten, Gespräche führen, den besseren Partner auswählen, auf einer Mitgliederversammlung darüber abstimmen lassen. Und nach Umfragen wäre rechnerisch eine SPD/PDS-Koalition auch möglich. Doch liegt die CDU mit etwa 44 Prozenten vorn, die SPD bei 26 und die PDS bei 19 Prozent. Das Wahlergebnis von 1994: 42,6 Prozent für die CDU, 29,6 für die SPD, 16,6 für die SED-Nachfolger. Wenig Bewegung also in Thüringen. Wie wollte Dewes Rot-Rot begründen, wenn Schwarz der Wahlsieger ist?

Das scheint zu einer gewissen Resignation geführt zu haben. Die PDS mag er nicht mehr richtig leiden. Für ihn ist sie jetzt ein "Auslaufmodell". Seit sie die SPD während der Kosovo-Krise als "Kriegspartei" beschimpfte, sei "das emotionale Klima zwischen SPD und PDS erheblich negativ verändert". So geht er auf Distanz: Dass Gregor Gysi eine schwierige Phase der rot-grünen Bundesregierung "in gnadenloser Weise populistisch" nutze, um die PDS hoffähiger zu machen, habe diese ablehnende Haltung verstärkt. "Das hat in der ostdeutschen SPD zu wesentlich mehr Distanz geführt, auch bei denjenigen, die wie ich über Jahre hinweg versucht haben, das Verhältnis zu normalisieren." Das klingt wie Ernüchterung beim Thüringer SPD-Chef. Ein drittes rot-rotes Bündnis im Osten wird unwahrscheinlicher. Nach Lage der Dinge wird Dewes das Duo Höppner - Ringstorff nicht zum Trio erweitern.

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