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Tibetischer Demonstrant nach seiner Festnahme

© dpa

Tibet: Demonstranten sterben - über 100 ergeben sich

Bei Protesten gegen die chinesische Herrschaft in Tibet wurden erneut Demonstranten erschossen. Knapp einen Tag nach dem Ablauf eines Ultimatums der chinesischen Regierung an Demonstranten sollen sich mehr als hundert "Aufrührer" den Behörden gestellt haben.

Nach Angaben der tibetischen Exil-Regierung wurden bei Protesten in der Provinz Gansu am Dienstag 19 Demonstranten erschossen. In Kardze in der chinesischen Provinz Sichuan hätten chinesische Sicherheitskräfte das Feuer auf eine Gruppe von Demonstranten eröffnet und mindestens drei Teilnehmer getötet, berichtet das exiltibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD). Bereits am Dienstag hatte die Organisation von mindestens 39 Opfern durch Schüsse von chinesischen Truppen in Aba in Sichuan und Machu in Gansu berichtet. Free Tibet Campaign veröffentlichte Fotos von Toten mit Schusswunden, die vom Kirti-Kloster in Aba stammten.

Weitere Proteste gab es auch in Gannan und Sangchu in der Provinz Gansu, berichtete TCHRD. Mönche und Tibeter hätten sich an beiden Orten für die Unabhängigkeit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lamas ausgesprochen sowie die tibetische Flagge gehisst. Die chinesischen Sicherheitskräfte hätten zum Teil Tränengas eingesetzt. 20.000 Angehörige der paramilitärischen Bewaffneten Polizei (Wujing) seien von der Provinzhauptstadt Lanzhou an fünf Orte in den tibetischen Regionen von Gansu entsandt worden, berichtete Free Tibet Campaign. Augenzeugen hätten in Gannan 102 Lastwagen mit Polizeikräften gezählt, die mit Waffen und Tränengas ausgerüstet gewesen seien.

Angespannte Ruhe herrschte am Mittwoch in vornehmlich tibetischen Wohngebieten in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan. Augenzeugen berichteten telefonisch von einer starken Polizeipräsenz um die Dianxin-Straße. Die Polizei wollte Gerüchte unter Bürgern und im Internet, dass ein Tibeter zwei Chinesen in der Nähe des Huaxi Krankenhauses mit einem Messer getötet haben soll, nicht bestätigen. Ferner war die Rede davon, dass ein Bus zerstört worden sei.

Hunderte Festnahmen in den letzten Tagen

105 Tibeter, die an den Protesten in Lhasa beteiligt gewesen seien, hätten sich ergeben, meldete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Alle seien an den Ausschreitungen am vergangenen Freitag beteiligt gewesen. Die Demonstranten sollen sich 23 Stunden nach dem Ablauf einer von den chinesischen Behörden gesetzten Frist gestellt haben. Sie alle seien an den Krawallen beteiligt gewesen, zitierte Xinhua den Vizechef der tibetischen Regierung, Baema Chilain. Sie hätten "geschlagen, zerstört, geplündert und gebrandschatzt". "Einige haben das Geld zurückgegeben, das sie gestohlen haben", sagte Baema. Die Agentur zitierte zudem einen Demonstranten, der sich den Behörden stellte. Der 25-Jährige berichtete, er habe betrunken zu Hause gesessen, als er die Ausschreitungen gehört und beschlossen habe, sich den Demonstranten anzuschließen.

Nach Angaben von Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen nahmen die chinesischen Behörden in den vergangenen Tagen hunderte Menschen in Tibet fest. Lhadon Tethong, Vorsitzender der Gruppe Studenten für ein freies Tibet, sprach sogar davon, dass es in Tibet und den angrenzenden Regionen die Festnahmen möglicherweise in die Tausenden gingen. Kate Saunders von der Internationalen Kampagne für Tibet sagte, in Lhasa werde von hunderten Festnahmen berichtet. Der Organisation Human Rights Watch lagen nach eigenen Angaben unbestätigte Berichte über hunderte Festnahmen vor. Den Inhaftierten drohe Folter, fügte die Organisation hinzu.

Der chinesische Regierungschef Wen Jiabao hatte am Dienstag die Kreise um den Dalai Lama für die Unruhen in Tibet verantwortlich gemacht. Dafür habe er "viele Beweise", sagte Wen. Der Dalai Lama drohte mit seinem Rücktritt, sollte die Lage in Tibet wieder eskalieren. Er rief sein Volk zum Gewaltverzicht auf.

Keine freie Berichterstattung möglich

Der Verein der Auslandsjournalisten in Peking erklärte am Mittwoch, Korrespondenten hätten 30 Fälle mitgeteilt, in denen sie an ihrer Berichterstattung über die Ereignisse in Tibet gehindert worden seien. Die Vorfälle hätten sich in Lhasa ereignet sowie in den westchinesischen Regionen Qinghai, Sichuan und Gansu, wo viele Tibeter leben. Wen Jiabao hatte am Dienstag ausweichend auf die Frage geantwortet, wann ausländische Journalisten nach Tibet reisen dürften. "Wir werden die Möglichkeit für ausländische Medien, vor Ort die Lage anzusehen, prüfen", hatte der Regierungschef gesagt.

Am Freitag waren tagelange Proteste in der Altstadt von Lhasa gewaltsam eskaliert. Anlass der Proteste war der 49. Jahrestag eines Aufstandes in Lhasa gegen die chinesischen Besatzer. Die Demonstrationen weiteten sich dann auf andere Regionen Chinas aus, in denen viele Exil-Tibeter leben. Insgesamt starben nach Angaben des Exilparlaments der Tibeter hundert oder sogar mehrere hundert Menschen. Die chinesische Regierung sprach von 13 Toten. Es seien "unschuldige Zivilisten". (rope/AFP/dpa)

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