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Foto: Khaled al Hariri/rtr

© REUTERS

Politik: Tipps per Mail aus Teheran

Syriens Opposition konnte offenbar Nachrichten der Assads mit brisanten Details im Netz lesen.

Berlin - Zum ersten Jahrestags des Beginns der Proteste gegen den syrischen Präsidenten Baschar al Assad sind am Donnerstag tausende Regimeanhänger in Damaskus auf die Straße gegangen. Weitere Staaten schließen ihre Botschaften in Damaskus. Gleichzeitig verstärkten die Regierungssoldaten ihre Präsenz in den Oppositionshochburgen, wo Großkundgebungen gegen Assad geplant waren. Aus drei Stadtteilen der Hauptstadt wurden Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen gemeldet. In der Nacht sollen die Truppen Assads die Stadt Idlib eingenommen haben. Menschenrechtsgruppen sprechen von inzwischen 8000 bis 10 000 Toten.

Zeitgleich haben am Donnerstag Veröffentlichungen des Londoner „Guardian“ aus dem privaten Mailverkehr Assads Aufsehen erregt. Im März vergangenen Jahres, der Aufstand gegen den Diktator in Damaskus hatte gerade begonnen, soll ein junger syrischer Regierungsangestellter einem Freund einen Papierschnipsel zugesteckt haben. Der Freund solle den Zettel, auf dem nur vier von Hand notierte Codes standen, einer kleinen Gruppe von Syrern im Exil überbringen. Die wüssten schon, was zu tun sei.

Wenn die Geschichte stimmt, dann wussten sie es. Von März bis zum Februar diesen Jahres überwachten demnach syrische Regimegegner den E-Mail-Verkehr von Baschar al Assad und seiner Frau Asma. Auf dem Schnipsel sollen die E-Mail-Adressen der beiden und die dazugehörigen Passwörter von Hand notiert gewesen sein. Die abgefangenen E-Mails belegen nicht nur die luxuriösen Shoppingtouren von Asma al Assad, sondern auch Baschars Netz zur Niederschlagung des Aufstands. Der „Guardian“ hat eine Vielzahl von E-Mail-Kontakten der Assads kontaktiert, um die Echtheit der 3000 Dokumente, die ihm zugespielt wurden, zu überprüfen. Das Blatt kommt zu dem Schluss, die E-Mails seien echt, „aber wir konnten nicht jede einzelne verifizieren“.

Baschar al Assad hat demnach in verschiedenen Phasen des Aufstands Rat aus dem Iran bekommen. Dem Diktator wurden Hinweise über die Anwesenheit westlicher Journalisten im von den Rebellen kontrollierten Stadtteil Baba Amr in Homs geliefert. Darüber, wie die Reporter illegal über die libanesische Grenze eingereist waren. Per E-Mail erhielt er die Warnung, dass eine zuverlässige Quelle von einer großen Waffenlieferung aus Libyen an die Aufständischen wisse. Und im November wurde er gedrängt, die Rebellen in Baba Amr noch härter anzugreifen.

Assad hat sich den E-Mails zufolge ein Netzwerk vertrauter Helfer geschaffen, die dem Präsidenten direkt über den privaten E-Mail-Account berichten – vorbei an seinem eigenen mächtigen Clan und vorbei am Sicherheitsapparat. Die von ihm angekündigten Reformen nennt Assad „wertlose Gesetze zu Parteien, Wahlen und Medien“.

Eine E-Mail, immer vorausgesetzt, die dem „Guardian“ zugespielten Daten sind echt, ist besonders irritierend. Sie enthält einen Link zu einem kleinen Video. Darauf ist, den Texteinblendungen des „Guardian“ zufolge, die Einnahme von Homs zu sehen. Allerdings wird der eingesetzte syrische Panzer mit einem grünem Spielzeugauto dargestellt. Ein zweistöckiges Gebäude ist aus zwei Schokoladendoppelkeksen konstruiert. Und ein blaues dickes Männlein ist ein Soldat.

E-Mails aus dem Speicher von Assads Frau Asma scheinen zu zeigen, wie die Präsidentengattin Tausende von Dollars über das Internet verprasst, während im Land die Menschen niedergemetzelt werden, medizinische Versorgung kaum noch vorhanden ist und viele Syrer hungern müssen. Auf der mutmaßlichen Einkaufsliste stehen Kerzen, Tische und Schmuck aus Paris. Ein Fondueset sollte jemand außerdem für sie beim Internetversandhändler Amazon bestellen.

Nachdem der Schnipsel mit den Mailzugangsdaten im vergangenen März das Regierungsbüro verlassen habe, so heißt es im „Guardian“, sei er erst einmal für drei Monate bei einer kleinen Zelle von Oppositionellen hängen geblieben. Im Juni dann erreichten die Zugangsdaten ihr Ziel: zwei in einem Golfstaat exilierte syrische Regimegegner, die bis zum Beginn des Aufstands eher in stiller Opposition gegen das Assad-Regime gelebt hatten. Die beiden fingen nun an, die Kommunikation nicht nur auf für die Rebellen nützliche Informationen zu untersuchen, sondern sie auch zu speichern. Deshalb starten die „Guardian“-E-Mails erst im Juni 2011. Im Februar 2012 dann verschafften sich Anonymous-Hacker Zugriff auf die offiziellen Regierungsseiten und knackten damit um die 80 Adressen. Das war dann auch das Ende der E-Mail-Spähaktion. mit dapd

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