zum Hauptinhalt

Todesstrafe: China

In keinem anderen Land auf der Welt werden so viele Menschen hingerichtet – doch die genaue Zahl ist unklar.

Es ist nicht bekannt, wie viele Menschen jedes Jahr in China hingerichtet werden, trotzdem ist sicher: Es sind mehr als in allen anderen Ländern zusammen. „Wir gehen davon aus, dass in China jedes Jahr mehrere Tausend Menschen hingerichtet werden“, sagt Dirk Pleiter, China-Experte von Amnesty International. Lange hat seine Organisation versucht, diesen zweifelhaften Weltrekord anhand von Zeitungsberichten über vollstreckte Todesurteile in Zahlen zu dokumentieren. Im Jahr 2008 zählte Amnesty auf diese Weise 1718 Hinrichtungen in China (weltweit 2390). „Inzwischen sind wir aber davon abgekommen, weil wir den Eindruck hatten, dass diese Zahlen nur die untere Grenze abbilden und keine realistische Abschätzung sind“, sagt Pleiter.

Die chinesische Regierung begründet das Festhalten an der Todesstrafe, die von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wird, vor allem mit ihrer abschreckenden Wirkung und der Notwendigkeit, die Kriminalität zu bekämpfen. Doch es dürfte auch politische Gründe geben. „Bei Aufsehen erregenden Fällen können die chinesischen Behörden mit Todesurteilen den Eindruck eines starken Staates vermitteln“.

Gegenwärtig werden 55 Delikte in China mit dem Tode geahndet, darunter auch Wirtschaftsverbrechen. „Das sind Delikte, die die politische Führung in Misskredit bringen können, gerade das Problem der Korruption“, sagt der Amnesty-Experte. Er fordert neben der Reduzierung dieser Todesstrafen-Liste auch die Anwendung rechtsstaatlicher Kriterien in den Gerichtsverfahren, zum Beispiel ein Verbot von Geständnissen, die unter Folter zustande kamen.

Äußerst umstritten ist außerdem, ob den Hingerichteten in China auch

Organe entnommen werden. „Sicher ist, dass das in den Neunzigerjahren die Praxis war, denn es ist gelungen, Leute zu interviewen, die daran beteiligt waren. Man kann vermuten, dass es nach wie vor in größerem Umfang stattfindet“, sagt Pleiter. Vor allem die Diskrepanz zwischen den vielen tausend dokumentierten Transplantationen in China und einem fehlenden Organspendesystem lässt den Experten darauf schließen. Inzwischen versuchen die chinesischen Behörden, ein freiwilliges System aufzubauen. „Solange aber ein wirtschaftliches Interesse der Krankenhäuser an Organen besteht, ist an manchen Orten die Versuchung groß, die Entscheidung über Hinrichtungen davon abhängig zu machen, welchen Bedarf an Organen es gibt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false