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Todesstrafe: Oberstes US-Gericht erklärt Gift-Hinrichtungen für rechtens

Die Hinrichtung per Giftspritze ist rechtens. Das entschieden jetzt die höchsten Richter in Washington. Die Hinrichtungsart verstoße nicht gegen das in der US-Verfassung festgeschriebene Verbot "grausamer und unüblicher" Strafen.

Unpassender hätte der Zeitpunkt der Entscheidung eigentlich nicht sein können. Just in jenem Moment, als US-Präsident George W. Bush den als Todesstrafengegner bekannten Papst Benedikt XVI. im Weißen Haus empfängt, setzt das Oberste Gericht in Washington der Hoffnung der Inhaftierten in den US-Todestrakten ein jähes Ende. Die Hinrichtung per Giftinjektion verstoße nicht gegen die US-Verfassung, urteilten die Richter. Praktisch bedeutet das: Nach mehr als einem halben Jahr Pause darf in den USA wieder hingerichtet werden. Das konservativ geprägte Gericht bereitet den Gegnern der Todesstrafe damit eine vernichtende Niederlage.

Es war weder offiziell noch systematisch, doch seit Ende September hatte die Vollstreckung der Todesstrafe in den USA zunächst auf Eis gelegen. Am 25. September hatte sich das Supreme Court bereit erklärt, die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe zu prüfen. Seitdem wurde allen Todeskandidaten - wenn auch oft erst in letzter Minute vor dem geplanten Hinrichtungstermin - Aufschub gewährt. Die Behörden wollten angesichts der ausstehenden Entscheidung lieber abwarten. Das Gericht gab ihnen nun grünes Licht - eine folgenschwere Entscheidung für die 3200 zum Tode Verurteilten in US-Gefängnissen.

Langer und qualvoller Tod?

Die Giftspritze kann Bürgerrechtlern zufolge äußerst schmerzhaft sein. Tatsächlich werden dem Todeskandidaten bei einer Hinrichtung drei verschiedene Substanzen eingespritzt: zuerst ein Beruhigungsmittel, danach ein lähmendes Mittel und schließlich eines, das den Herzstillstand hervorruft. Weil aber das zweite Mittel den Gefangenen lähmt, wäre ihm auch dann nichts anzusehen, wenn er anschließend Höllenqualen litte. Obendrein werden die Injektionen nicht immer von Fachleuten vorgenommen. Deshalb gehen viele Studien davon aus, dass die Giftspritze einen langen und qualvollen Tod bedeuten kann.

Dafür spricht etwa das Beispiel des hingerichteten Angel Nieves Diaz, der im Dezember 2006 in Florida mit einer Giftspritze getötet wurde. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, er zitterte 30 Minuten lang bis er schließlich schwere Krämpfe erlitt und starb. Eine nachträgliche Untersuchung ergab, dass der tödliche Cocktail nicht in seine Venen, sondern daneben gespritzt wurde. Im Jahr 2000 rief der Verurteilte Bennie Demps auf der Todesliege: "Ich werde durchlöchert!" Das Gefängnispersonal hatte viel Zeit benötigt, die Spritze in die kaputten Venen des Drogensüchtigen zu spritzen. 2006 rief Joseph Clark im Todeskampf "Das klappt nicht!". Die Injektion hatte seine Venen platzen lassen.

US-Bürger befürworten Todesstrafe

In Umfragen sprechen sich regelmäßig zwei Drittel der US-Bürger für die Todesstrafe aus. Todesstrafengegner indes beriefen sich in dem Verfahren vor dem Supreme Court auf eine Klausel in der US-Verfassung, die "grausame und unübliche Bestrafungen" verbietet. Die Richter folgten diesem Argument nicht. Die Klagesteller hätten nicht ausreichend gezeigt, dass "das Risiko von Schmerzen" durch Pannen bei der Injektion eine "grausame und unübliche Bestrafung" darstellt, heißt es in dem Urteil.

Verfasst wurde es von Gerichtspräsident John Roberts, einem von Präsident Bush berufenen Konservativen. Mit der gezielten Berufung von Richtern aus dem rechten Spektrum hat Bush dem lange Zeit als liberale Bastion geltenden Supreme Court eine konservative Mehrheit verschafft. In einer Serie von Entscheidungen hat die neue Mehrheit im Verlauf der letzten beiden Jahre ihre Bereitschaft verdeutlicht, die gesellschaftlichen und politischen Koordinaten nach rechts zu verschieben.

Immer mehr konservative Urteile

Mit ihrer neuen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen verwarfen die Konservativen etwa ein Programm zur Gleichstellung der Rassen an Schulen, ließen einen größeren Einfluss von Lobbys auf den Wahlkampf zu und setzten der Meinungsäußerung von Schülern Grenzen. Zur Debatte steht, so fürchten die Bush-Gegner, der Kernbestand der Bürgerrechts-Gesetzgebung, mit der das Oberste Gericht nach dem Zweiten Weltkrieg Rechtsgeschichte geschrieben hat - etwa mit der Legalisierung der Abtreibung 1973. (jvo/AFP)

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