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Politik: Tony Blair in Argentinien: Tee über den Wolken

"Großbritannien hat keine permanenten Freunde oder Feinde, permanent sind nur die Interessen", so heißt ein berühmtes Credo der britischen Diplomatie. Dies könnte das Motto des ersten offiziellen Besuches eines englischen Staatsoberhauptes in Argentinien sein, 20 Jahre nachdem sich die beiden Nationen auf den Falkland-Inseln im Süden Argentiniens bitter bekämpften.

"Großbritannien hat keine permanenten Freunde oder Feinde, permanent sind nur die Interessen", so heißt ein berühmtes Credo der britischen Diplomatie. Dies könnte das Motto des ersten offiziellen Besuches eines englischen Staatsoberhauptes in Argentinien sein, 20 Jahre nachdem sich die beiden Nationen auf den Falkland-Inseln im Süden Argentiniens bitter bekämpften.

Die Falklands oder "Malvinas", wie die Inseln in Argentinien heißen, werden indes kein großes Thema sein bei dem kurzen Treffen von Tony Blair und dem argentinischen Präsidenten Fernando de la Rua, dessen Protokoll großes Fingerspitzengefühl erforderte. Nach Jahren der geheimen Verhandlungen unter Federführung der USA kamen Großbritannien und Argentinien 1990 überein, ihre diplomatischen Beziehungen auf der Basis einen stillschweigenden Übereinkommens weiterzuführen - dass nämlich die britische Souveränität über die Falklands nicht diskutiert wird. Blair sagte zum Falkland-Krieg 1982 am Mittwoch dem britischen Sender ITN: "Was damals geschah, gehört der Vergangenheit an". Argentinien sei seinerzeit eine Militärdiktatur gewesen, heute sei es eine Demokratie.

Das argentinische Staatsoberhaupt wird Blair zur argentinischen Mittagszeit an der brasilianischen Seite der "Iguazu-Wasserfälle" im Dreiländereck zwischen Brasilien, Argentinien und Paraguay abholen und dann zusammen mit dem Engländer das feuchte Naturspektakel überfliegen. Dabei soll es statt um schwierige Vergangenheitsbewältigung um gemeinsame Interessen bei aktuellen und künftigen Themen gehen: Das Vorziehen der nächsten Runde in der Welthandelsorganisation WTO und das gemeinsame Eintreten für eine Politik des "Dritten Weges", diese von Blair kreierte Formel für einen Kapitalismus mit starkem sozialen Antlitz, für den auch De la Rua eintritt. Für kaum mehr wird auch keine Zeit sein bei dem etwa halbstündigen Treffen, das einen gemeinsamen Tee über den Wolken und einen Fototermin mit den Wasserfällen im Hintergrund beinhaltet. Außerdem gehört dazu eine kurze Pressekonferenz, in der klar gestellt werden soll, dass über die "Malvinas" nicht verhandelt wurde. Der englische "Daily Telegraph" interpretierte den Empfang Blairs durch den argentinischen Präsidenten als explizites Eingeständnis von Seiten der argentinischen Regierung, dass die Falkland-Inseln zu England gehören. Tatsache ist, dass Argentinien sich heute historische bedingte Kleinlichkeit und Empfindlichkeit kaum leisten kann. Dem seit drei Jahren unter einer schweren Rezession und immer höherer Verschuldung leidenden Land droht der Zahlungsausfall. Erst am Dienstag hatten mehrere tausend Arbeitslose aus Protest gegen die Sparpolitik der Regierung Straßensperren errichtet. Nach Angaben der Organisatoren wurde der Verkehr an mehr als 100 Stellen im ganzen Land blockiert. Die Regierung sprach dagegen von neun Straßensperren. Sie räumte aber ein, dass auf den Straßen der Hauptstadt Buenos Aires rund 70 Prozent weniger Autos unterwegs seien als üblich. Die Polizei hatte den Verkehr umgeleitet.

Zu den Blockaden hatten Arbeitslosengruppen und Rentnerverbände aufgerufen, die von Teilen der Gewerkschaften unterstützt wurden. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation sind Investoren jeder Nationalität, auch der britischen, willkommen. Engländer investierten in den letzten zehn Jahren vier Milliarden US-Dollar in Argentinien.

Die Unterstützung von Blair für die argentinischen Maßnahmen zum Abbau des staatlichen Defizits können in der Welt eine Lanze brechen für Argentinien, nachdem sowohl der Internationale Währungsfonds als auch andere potentielle Kreditgeber den Geldhahn für Buenos Aires zunächst geschlossen haben. Das Treffen kann also als eine Art Chance für Wiedergutmachung von Seiten der Engländer interpretiert werden.

Anne Grüttner

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