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Politik: Tornados und Touristen

BOMBODROM

Von Gerd Nowakowski

Zerreißen heulende Düsenjets künftig in Schloss Rheinsberg in lauer Sommernacht die schönen Stimmen der Oper? Nein, der Hörgenuss wird ungestört bleiben, die Maschinen werden Rheinsberg meiden, selbst wenn die Bundeswehr das Bombodrom in der KyritzRuppiner Heide wie geplant am 18. August in Betrieb nimmt. Viele Befürchtungen werden sich bald erledigt haben. Der Bombenabwurf ist bürokratisch geregelt: Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr – Mittagspause ausgenommen. Und freitags ist um 12 Uhr Schluss. In den Sommerferien, an Wochenenden und Feiertagen sowie zwischen Weihnachten und Silvester werde nicht geflogen, sagt die Bundeswehr.

Vielen Menschen im Ruppiner Land reichen diese Zusicherungen nicht. Sie bangen um ein Naturidyll zwischen der Müritz und Rheinsberg. Nirgendwo sonst in Mitteleuropa gibt es ein solch dünn besiedeltes Gebiet. Natur pur, deren touristische Entwicklung die einzige Chance für den armen Landstrich sei, sagen die Gegner, unter denen sich Pfarrer, etliche Gemeindevertreter und auch der Landrat finden: Diese Idylle werde von den lärmenden Düsenjägern zerstört. Tourismus allein reicht nicht, um die Region, in der jeder vierte Bewohner arbeitslos ist, auf die Beine zu bringen, widersprechen die Befürworter. Die Bundeswehr will einige hundert zivile Arbeitsplätze schaffen.

Die Auseinandersetzung zerreißt den Landkreis seit elf Jahren. Das Bundesverteidigungsministerium hat Fehler gemacht, hat unsensibel viele Menschen gegen sich aufgebracht, als sie nach der Wende den jahrzehntelang von den Russen genutzten Bombenabwurfplatz umstandslos übernehmen wollte – ohne das in der alten Bundesrepublik übliche rechtsstaatliche Verfahren. Erst sehr spät – und auf Druck der Gerichte – hat das Ministerium begonnen, die Menschen und ihre Ängste ernst zu nehmen. Viele Anwohner werden nachdenklicher. Nur noch einige hundert Menschen protestierten am vergangenen Sonntag.

Denn die Natur ist nicht so intakt, wie es die Gegner darstellen. Kommt das Bombodrom nicht, bleibt kein Biotop, sondern ein mit Munition verseuchtes Gelände zurück. Die Bundeswehr will die Fläche sanieren. Wer sollte das sonst tun, wer könnte das bezahlen? Der Verteidigungsminister hat starke Argumente: Nur in dem riesigen Gebiet kann die Luftwaffe alle einsatzrelevanten Manöver fliegen. Auf den viel kleineren Plätzen im niedersächsischen Nordhorn und im bayerischen Siegenburg ist das nicht möglich. Die neuen Aufgaben der Bundeswehr als schnelle Krisenreaktionsarmee erfordern ständige Übungen – die Ausbildungseinheiten in den USA oder Kanada reichen nicht. Und werden für die Bundeswehr bei einem schrumpfenden Etat zu teuer.

Gleichzeitig aber hat die Zahl der Flugzeuge der Bundeswehr in den letzten Jahren enorm abgenommen; bald wird sie nur noch knapp 300 Maschinen haben. Entsprechend weniger wird geübt. Acht Maschinen täglich werden im Durchschnitt das Übungsgelände anfliegen, um ihre Bomben zu werfen. Der Platz ist so groß, dass die Maschinen ihre jeweils fünf Übungsrunden innerhalb des Geländes ziehen können. Die angrenzenden Dörfer werden deshalb anders als im niedersächsischen Nordhorn von der Lärmschleppe der Tornados weitgehend verschont. Beim Anflug auf das Übungsgelände sollen die Jets nicht niedriger als 500 Meter fliegen, verspricht die Bundeswehr. Das ist nicht unzumutbar.

Die Bombodrom-Gegner wollen alle Rechtswege ausschöpfen; auch die SPD-PDS-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern will klagen. Das kann dauern. In Wittstock dagegen bewerben sich die ersten Menschen um zivile Arbeitsplätze. Setzt sich die Bundeswehr durch, wird sie um Vertrauen werben müssen. Dazu gehört, die Zahl der Übungsflüge nicht über das jetzige Maß hinaus auszuweiten. Doch selbst dann, wenn die Bundeswehr ihre Versprechen einhält, wird es Belästigungen für die Prignitzer geben. Aber weit geringere als zu Zeiten, als die Russen völlig rücksichtslos die Bewohner mit 25 000 Überflügen jährlich terrorisierten. In Nordhorn hoffen die Menschen auf Entlastung durch den neuen Übungsplatz. Aber es geht nicht darum, ob den Ostdeutschen etwas aufgebürdet werden soll, was Westlern nicht mehr zumutbar ist. Es geht allein um den besten Platz: Der liegt in der Kyritz-Ruppiner Heide.

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