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Politik: Toter Briefkasten

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Irgendwie ist es ja doch schade, dass der Sozialismus zum Teufel gegangen ist. Er hat nämlich die Spione mitgenommen.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Irgendwie ist es ja doch schade, dass der Sozialismus zum Teufel gegangen ist. Er hat nämlich die Spione mitgenommen. Und das ausgerechnet jetzt, wo die moderne Technik endlich so weit ist, dass aus dem Beruf etwas hätte werden können. Wir sagen nur: Das Handy mit Kamera. Was war das früher für ein Umstand! Der Agent Ihrer Majestät, nachdem er sich Zugang zu jenem geheimen Raum links hinter der Kreml-Küche verschafft hat, in dem die Rezeptur zur Konservierung des Genossen Lenin verwahrt wird, zieht aus seiner Geheimfuttermanteltasche die Minox. Er muss das Wunder der Technik im richtigen Abstand zu dem Dokument fixieren, ein Klick (lange Belichtungszeit!), noch ein Klick, sicherheitshalber. Nichts wie weg ins Hotelzimmer. Film auf dem Klo im Dunkeln rausnehmen, entwickeln, trocknen, den KGB-geschulten Zimmerkellner fern halten. Nichts wie weg zum Bahnhof. Ab in den Moskau-Paris-Express. Auf die Toilette. Aschenbecher abschrauben, in die rückseitige Vertiefung Filmrolle quetschen, Aschenbecher anschrauben. Und nichts wie weg. Umständlich, gefährlich, zeitraubend das. Heute würde das Handy das Foto direkt in die Zentrale senden. Denken wir uns wenigstens. Oder denken wir falsch? Hängt die Zunft an ihren Bräuchen? Die CDU-Abgeordneten Vaatz und Gewalt haben uns neulich ein Plädoyer für den Umzug des BND von München nach Berlin geschickt. Der BND, heißt es da, habe die Aufgabe, die Regierung „zügig zu informieren“. Darum sei es folgerichtig, dass er in der Hauptstadt sitze. Stimmt. Da sind die Wege kürzer. Den toten Briefkasten im 1.-Klasse-Klo des ICE 1514 „Sophie Scholl“ München-Berlin kann der BND also stilllegen.

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