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Politik: Transkontinentaler Schulterschluss

Die Regierungschefs Europas und Asiens wollen sich gemeinsam gegen die Finanzkrise stemmen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die asiatischen Schwellenländer aufgerufen, beim Aufbau einer neuen Ordnung des Weltfinanzsystems mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Aufgabe sei „nicht allein im Kreis der G 8“ lösbar, sagte sie laut Redemanuskript zum Auftakt der ersten Arbeitssitzung des Pekinger Asem- Gipfels, dem zweitägigen Treffen von 42 europäischen und asiatischen Regierungschefs. Als Grundprinzipien einer neuen Ordnung nannte Merkel die Transparenz der Finanzmärkte, neue Anreizstrukturen für Unternehmen, schärfere Marktaufsicht und engere internationale Zusammenarbeit.

Die globale Finanzkrise ist das Hauptthema des siebten Asem-Forums, das in der Vergangenheit nie zu den bedeutendsten internationalen Politikertreffen zählte, diesmal aber eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung des Weltfinanzgipfels in Washington am 15. November spielen könnte. Laut Merkel sollten dort auch große Schwellenländer wie China und Indien teilnehmen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte, in den vergangenen Wochen sei ein weltweites Bewusstsein dafür entstanden, dass die Krise nur durch einen weltweiten Schulterschluss zu bewältigen sei. „Dies sind beispiellose Zeiten, die nach beispiellosen Maßnahmen rufen“, sagte Barroso. Ausdrücklich warnte er dabei vor Protektionismus. „In der Globalisierung sind Offenheit und Unabhängigkeit zwei Seiten der gleichen Medaille“, sagte er in seiner Asem-Eröffnungsansprache. „Wir haben alle von Handel und einem offenen Geschäftsumfeld profitiert und sollten deshalb Forderungen nach Protektionismus, Isolation und wirtschaftlichem Nationalismus widerstehen. “ Stattdessen brauche es gemeinsame Regeln bezüglich Transparenz, Zuständigkeit, Verantwortung, grenzübergreifende Kontrollen und globale Steuerung.

Ein Ruf, dem sich auch Chinas Staatspräsident Hu Jintao anschloss. „Die gegenwärtige Weltlage ist düster und kompliziert“, sagte der Gastgeber. „Schwellen- und Entwicklungsländer stehen vor finanziellen Risiken, schwacher ausländischer Nachfrage und steigender Inflation.“ Zwar hatte sich die Volksrepublik, die Ende des Jahres zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen dürfte, bisher an keinen internationalen Rettungsaktionen für die Finanzmärkte beteiligt. Doch am Freitag wurde bekannt, dass China gemeinsam mit Japan, Südkorea und den zehn Mitgliedern der Gemeinschaft südostasiatischer Staaten (Asean) einen 80 Milliarden Dollar schweren Notfonds gründen will. Dieser soll Mitte 2009 einsatzbereit sein, erklärte ein Vertreter des südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak.

Den größten Anteil von 64 Milliarden Dollar sollen die Regierungen in Peking, Tokio und Seoul stemmen. Außerdem sollen eine unabhängige regionale Finanzmarktaufsicht sowie weitere Foren für die Abstimmung der Finanzpolitik ins Leben gerufen werden. Dies könnte ein erster Schritt in Richtung eines asiatischen Währungsfonds werden, der bereits seit der Asienkrise von 1997/98 im Gespräch ist.

Vor dem Asem-Auftakt war Merkel am Freitagvormittag zu einem bilateralen Gespräch mit Staatspräsident Hu Jintao zusammengekommen. Wie schon am Vortag bei ihrem Treffen mit Premierminister Wen Jiabao betonten beide Seiten die Qualität des deutsch-chinesischen Verhältnisses, das im vergangenen Jahr nach Merkels Treffen mit dem Dalai Lama stark gelitten hatte. Der herzliche Ton früherer Treffen war dennoch verschwunden. „Derzeit ist die Gesamtentwicklung des deutsch-chinesischen Verhältnisses gut, und beide Seiten haben enge Kontakte auf hoher Ebene“, lautete Hus kühler Kommentar, den das chinesische Staatsfernsehen verbreitete.

Merkel traf sich am Freitag auch mit einer Gruppe chinesischer Unternehmer, Wissenschaftsminister Wan Gang und Mitgliedern der chinesischen Zivilgesellschaft, darunter dem Schriftsteller Li Er und dem Herausgeber der Reformzeitschrift „Yanhuang Chunqiu“, Wu Si.

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