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Juni 2015. Obama gedachte der Opfer in Charleston mit einem Song.

© REUTERS

Trauerfeier in Dallas: Barack Obama: Präsident aller Amerikaner

US-Präsident Barack Obama verurteilt immer wieder Übergriffe auf Schwarze. Doch noch nie ging es um eine Konstellation wie nun in Dallas.

In seinen siebeneinhalb Amtsjahren hat Barack Obama auf viel zu vielen Trauerfeiern für die Opfer von Amokläufern sprechen müssen. Doch noch nie ging es um eine Konstellation wie am heutigen Dienstag in Dallas: Menschen, die erschossen wurden, weil ihre Hautfarbe weiß ist.

Zuvor waren die Opfer entweder so gemischt, wie es der US-Gesellschaft am Tatort entsprach, oder es waren gezielte Angriffe auf Minderheiten. Im November 2009 erschoss ein Militärpsychologe arabischer Herkunft 13 Soldaten in Fort Hood, Texas; im Januar 2011 ging es um den Überfall auf eine Wählerversammlung der demokratischen Abgeordneten Gabby Giffords in Tucson, Arizona; im Juli 2012 um ein Kino-Massaker in Aurora, Colorado; im August 2012 um den Angriff auf einen Sikh-Tempel in Wisconsin; im Dezember 2012 um die Ermordung von 20 Erstklässlern in Newtown, Connecticut; im Juni 2015 um die Erschießung schwarzer Kirchenbesucher in Charleston, South Carolina.

Mehrfach hat der Präsident das kollektive Entsetzen über exzessiven Waffeneinsatz durch Polizisten und anderes Sicherheitspersonal formuliert. Die Opfer waren zumeist Schwarze. Als ein Nachbarschaftswächter den 17-jährigen Afroamerikaner Trayvon Martin 2012 auf dessen Heimweg erschoss, weil er ihn für „verdächtig“ hielt, sagte Obama: „Er hätte mein Sohn sein können.“

Am Dienstag spricht der Präsident zu den Hinterbliebenen weißer Polizisten. Der Täter wollte so viele weiße Uniformträger wie möglich umbringen. Es ist sozusagen der Fall eines umgekehrten Rassismus.

Die typisch amerikanische Antwort lautet: gezielte Signale der Gemeinsamkeit. So wollen auch Obamas Vorgänger George W. Bush und seine Frau Laura nach Dallas kommen, berichtet der „Houston Chronicle“. Am Wochenende hatten sich Pfarrer verschiedener Hautfarbe in Texas verabredet, um darüber zu predigen, was die Gesellschaft verbindet. In einem Gottesdienst für Angehörige der Toten in Dallas sprachen Bischof Jakes und Bürgermeister Rawlings. „Wir müssen ehrlich mit uns selbst sein“, appellierte Rawlings. „Sind wir bereit, unsere Sichtweise zu ändern, oder erwarten wir immer nur von den anderen, dass sie sich ändern?“

In Humble predigte Pastor Keion Henderson vor 1200 Menschen: „Es ist ebenso falsch, Jugendliche dunkler Hautfarbe zu töten, wie es falsch ist, Menschen in blauer Uniform zu töten.“ Am Mahnmal für die Toten vor dem Polizeihauptquartier in Dallas finden sich dieser Tage zahlreiche Menschen ein. Eine schwarze Frau geht auf einen der Polizisten zu und fragt, ob sie ihn umarmen dürfe. Ein Mann fragt einen anderen Polizisten, wofür er beten solle. „Dass wir als Gemeinschaft zusammenfinden“, ist die Antwort.

Andere Voraussetzungen

In den jüngsten Jahren, als immer wieder Afroamerikaner durch Polizeigewalt starben, hat Obama mehrfach den verbreiteten Rassismus angesprochen. „Wir schlagen uns schon viel zu lange mit diesem Problem herum. Wir müssen schneller Fortschritte machen. Reden genügt nicht, ich will Taten sehen“, sagte er nach Eric Garners Tod 2014. Als Freddie Gray 2015 umkam, appellierte er: „Einige Polizeieinheiten müssen in sich gehen. Einige Kommunen müssen in sich gehen. Unsere ganze Nation muss in sich gehen.“ Nun, nach den Todesfällen Alton Sterling und Philando Castile, legte er dar, wie unterschiedlich der Alltag und die ökonomische Situation Schwarzer im Vergleich mit Weißen sind. „Ich erwarte nicht, dass wir das ganze Erbe der Vergangenheit in meinem Leben überwinden – vielleicht nicht mal zu Lebzeiten meiner Kinder. Wir können aber besser werden.“

Begonnen hatte Obamas Präsidentschaft in einer anderen Tonlage. Im Wahlkampf 2008 und im ersten Amtsjahr 2009 trat er schon rein präventiv dem Verdacht entgegen, er wolle ein Präsident der Schwarzen und nicht etwa der ganzen Nation sein. Er machte Fehlverhalten von Afroamerikanern zum Thema und verlangte mehr Selbstverantwortung. Er finde es nicht „cool“, wenn junge Schwarze die Schule schwänzen und gegen die Ordnung aufbegehren, sagte er.

Bildung und Disziplin führten zu Erfolg. Obama sprach an, dass die Mehrheit schwarzer Kinder ohne Väter aufwachse, weil die die Mütter verließen und ihre Elternschaft nicht ernst nehmen. Mit solchen Aussagen machte er sich nicht Freunde unter Schwarzen. Aber sie machen Obama glaubwürdiger, wenn er nun Weißen vorhält, dass der Rassismus lebendig ist. In Dallas wird er beide Botschaften verbinden.

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