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Treffen in Tschechien: Merkel wirbt in Prag für den Fiskalpakt

Tschechien will sich auch ohne Unterzeichnung des europäischen Fiskalpakts an die darin vorgesehenen Regeln zur Haushaltsdisziplin halten. Dennoch gibt es einige Misstöne zwischen Deutschland und Tschechien, die noch harmonisiert werden müssen.

20 Jahre nach der Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrags haben Deutschland und Tschechien ihre stabilen Beziehungen betont und sind bei den Konfliktpunkten Fiskalpakt und Atompolitik demonstrativ zusammengerückt. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Regierungen funktioniere sehr gut, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Necas in Prag. Die Zusammenarbeit mache aber nicht zwischen Berlin und Prag halt, sondern sie erstrecke sich auf viele Ebenen zwischen beiden Ländern.

Die Euro-Retterin Merkel treibt vor allem Tschechiens Nein zum europäischen Fiskalpakt um. 25 der 27 Mitgliedstaaten wollen sich die strengen Haushaltsregeln des Paktes auferlegen, nur Großbritannien und Tschechien nicht. Ein Beitritt gilt als unwahrscheinlich, so lange der als Euro-Skeptiker bekannte Präsident Václav Klaus an der Macht ist. Seine Amtszeit endet allerdings im März des kommendes Jahres, was auf deutscher Seite die Hoffnung auf ein Umschwenken Tschechiens nährt. Necas bestärkte diese Hoffnungen: Er gab sich in Prag ausdrücklich als Pro-Europäer und versicherte ein ums andere Mal seine Solidarität. Außerdem sicherte er die Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien auch ohne eine Unterzeichnung des europäischen Fiskalpakts zu.

Tschechien ist also, wenn es nach Necas ginge, sowieso schon Mitglied des Fiskalpaktes und der Ministerpräsident konnte sich den Seitenhieb auf seinen Präsidenten denn auch nicht verkneifen: Eine Unterzeichnung des Fiskalpakts stehe derzeit nicht an, sagte er in Prag. Aber sein Land halte die Regeln des Paktes doch bereits ein.

Merkel hatte bereits vor ihrem Besuch betont, dass der Fiskalpakt kein Streitthema zwischen Berlin und Prag sei. Im Prager Regierungsamt zeigte sie sich am Dienstag ebenfalls gelassen. "Auch wenn Tschechien den Fiskalpakt jetzt nicht unterzeichnet hat, wissen wir, dass die tschechische Regierung sich das offen hält", sagte sie. Für sie sei wichtig, "dass die Ziele des Fiskalpaktes zwischen unseren beiden Ländern voll und ganz geteilt werden". Tschechien teile mit Deutschland die Grundsätze der europäischen Haushaltspolitik, betonte die CDU-Vorsitzende. Tschechien könne das Vertragswerk auch zu einer späteren Gelegenheit noch unterzeichnen.

Der FDP-Politiker und Tschechien-Experten Heinz-Peter Haustein sagte der Nachrichtenagentur dapd in Berlin, es gebe beim Fiskalpakt "positive Signale". Der Vorsitzende der deutsch-tschechischen Parlamentariergruppe des Bundestages verwies auf ein Treffen mit tschechischen Senatoren und dem Vorsitzenden des Europaausschusses des tschechischen Parlaments, Ludek Sefzig, vergangene Woche. Sefzig habe dabei erklärt, er könne sich einen Beitritt seines Landes zum Fiskalpakt vorstellen, wenn noch bestehende Unsicherheiten über Details ausgeräumt seien.

Deutschland sorgt sich um die Sicherheit des Atomkraftwerks Temelin

Auch beim zweiten derzeit großen Thema zwischen Deutschland und Tschechien - der Atomkraft und da insbesondere der Ausbau des Kraftwerks Temelin nahe der deutschen Grenze - rückten Merkel und Necas zusammen. Der tschechische Ministerpräsident erklärte, sein Land berücksichtige die deutsche Entscheidung zur Abschaltung der Atomkraftwerke. "Wir sind froh, das umgekehrt die tschechische Position von Deutschland respektiert wird", sagte er. "Wir sind gute Nachbarn und daher möchten wir in diesem Bereich keine Geheimnisse machen". Sein Land sei dazu bereit "alle notwendigen Informationen zu teilen". Prag sei auch "zu öffentlichen Diskussionen" bezüglich des Ausbaus von Temelin bereit. "Diese Diskussionen werden auf deutschem Gebiet stattfinden", sagte er.

Merkel sagte, es gebe auf Fachebene viele Foren zu Temelin. Auf europäischer Ebene gebe es die Einigung, dass in den jeweiligen Atomkraftwerken Beobachter zuzulassen sein. Necas habe ihr gegenüber "immer wieder Offenheit in dieser Frage bekundet". Sie habe noch nie eine Beschwerde aus Deutschland gehört und glaube, dass das Thema auf einem guten Weg sei. Merkel sagte, sie habe für die deutsche Seite betont, dass der Ausbau der Übertragungsnetze, gerade im Zusammenhang mit der Windenergie "von allergrößter Bedeutung ist". Deutschland schätze sehr, dass die tschechische Regierung "natürlich Konsultationen erwartet", aber das gleichzeitig nicht auf Abschottung, sondern auf einen gemeinsamen integrierten europäischen Energiemarkt gesetzt werde.

Deutschland sorgt sich um die Sicherheit des tschechischen Atomkraftwerks Temelin, das etwa 50 Kilometer von der Grenze entfernt ist. Das Kraftwerk wird vom Energiekonzern CEZ betrieben und ist die größte Energiequelle der Tschechischen Republik. Seit der erste Block 2002 ans Netz ging - der zweite nahm seinen Betrieb 2003 auf - machte das Kraftwerk durch Dutzende Störfälle auch jenseits der tschechischen Grenzen Schlagzeilen. Der geplante Bau von zwei weiteren Reaktoren stößt insbesondere bei bayerischen und österreichischen Umweltschützern auf heftigen Widerstand. Im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung kamen aus Österreich 7.000 und aus Deutschland weitere 3.000 Einwände gegen die geplante Erweiterung.

Haustein sagte zum Thema Kernkraft, Tschechien baue "weitere AKW, und wir schalten sie ab". Natürlich gebe es da Diskussionsbedarf, "aber ich denke, das hält eine gute Beziehung, eine Freundschaft, aus". Auf der Prager Burg kam Merkel auch kurz mit dem tschechischen Präsidenten Václav Klaus zusammen. Vor ihrem Rückflug diskutierte sie mit Studenten der Karls-Universität über die künftige Gestalt Europas.

(dapd, AFP)

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