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Politik: Trittin beschänkte sich auf Eigenlob der deutschen Leistungen (Kommentar)

Am Ende also doch ein Erfolg: Die geplante Folge-Klimakonferenz wird nicht verschoben. Die Technokratenmühlen dürfen also weitermahlen.

Am Ende also doch ein Erfolg: Die geplante Folge-Klimakonferenz wird nicht verschoben. Die Technokratenmühlen dürfen also weitermahlen. Überhaupt war das der beherrschende Eindruck auf dieser Klimakonferenz: Ministerialbeamte und Experten haben die Regie übernommen. Das hat Vor- und Nachteile. Der Klimaschutzprozess wird unabhängiger von politischen Konjunkturen. Andererseits werden die ursprünglichen Anliegen bis zur Unkenntlichkeit klein gearbeitet. Das politische Projekt Klimaschutz ist zur Geheimwissenschaft mutiert. Oder sollte die Kompliziertheit absichtlich sein? Hinter all den Kürzeln und technokratischen Detailfragen lässt sich politischer Unwille schließlich elegant verbergen.

Immerhin haben einige Umweltminister - und der Bundeskanzler - die Absicht bekundet, den Verhandlungsprozess nicht ganz dem Selbstlauf zu überlassen. Im Jahr 2002 soll ratifiziert werden. Mehr Bewegung haben ihre Auftritte kaum bewirkt. Daran sind die EU-Minister nicht schuldlos. Auch der deutsche Umweltminister hat eine nur routinierte Rede gehalten, ohne weitergehende Initiativen anzukündigen. Wie alle seine Ministerkollegen war auch Jürgen Trittin bemüht, das eigene Land im besten Klimaschutzlicht erscheinen zu lassen: Er lobte die deutschen Leistungen, das Absenken der Treibhausgase um 13 Prozent, und vergaß die darin enthaltene "heiße Luft" zu erwähnen. Der wirksamste Klimaschutz in Deutschland war eben der Kollaps der ostdeutschen Industrie. Alle Minister haben dieses unehrliche Spiel betrieben und sich beim Eigenlob überboten. In Wirklichkeit, das weiss Trittin nur zu gut, hat Deutschland enorme Schwierigkeiten, nicht wortbrüchig zu werden. Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, ist das Kohlsche Versprechen - 25 Prozent weniger CO2

bis 2005 - nicht einzuhalten. Bisher fehlt ein Klimaschutzprogramm, das diesen Namen verdient, ein konkretes Paket mit Zeitplan, klaren Prioritäten und ausgewiesenen Reduktionen.

Wieder einmal agierten die EU-Staaten zu weich. Erinnern wir uns: Mit der Vorstellung, 15 Prozent weniger Treibhausgase festzuschreiben, ist die EU nach Kyoto gefahren - heimgekehrt ist sie mit 8 Prozent. Damals wandte sich die EU noch strikt gegen jeglichen Handel mit Verschmutzungsrechten. Mittlerweile verlangt sie nur noch eine Begrenzung dieser handelbaren Schmutzquoten auf 50 Prozent. Jetzt wird signalisiert, dass auch darin noch Spiel ist. Den USA wird nicht entgangen sein, dass Jürgen Trittin die 50-Prozent-Obergrenze in seiner Rede nicht mehr explizt nannte.

Durch eine völlige Freigabe des Emissionshandels würde das Kyoto-Abkommen allerdings wertlos. Russland und die Ukraine verfügen über Emissionsrechte von einer Milliarde Tonnen C02

Das ist mehr als die in Kyoto beschlossene Reduktionsmenge. Würden diese Rechte verkauft, bräuchte kein Vertragsstaat mehr etwas zu reduzieren.

Was also tun? Die EU muss den politischen Mut aufbringen, notfalls ohne die USA zu ratifizieren. Dadurch könnten die EU-Staaten die USA unter Druck setzen. Dafür braucht die EU allerdings das Bündnis mit Russland. Sonst kommt die für eine Ratifizierung erforderliche Emissionsmenge nicht zusammen. Diplomatisch geht es also darum, Russland mit konkreten Angeboten, etwa zum Technologietransfer, aus der Allianz mit den USA herauszulösen. Noch starren die Europäer jedoch wie das Kaninchen auf die Schlange USA. Oder ist das Ganze doch nur eine Inszenierung. Müssen die USA nur deshalb den bösen Buben geben, weil bei ihnen der öffentliche Druck relativ gering ist? In zwei Jahren werden wir es wissen. Dann ist es, so viel steht fest, wieder ein bisschen wärmer geworden.

Ursel Sieber

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