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Zugriff auch auf Messenger-Dienste? Darüber soll der Bundestag am Donnerstag entscheiden.

© Oliver Berg/dpa

Trojaner-Einsatz gegen Verbrechen: Der Staat muss auch in der Cybersphäre ermitteln können

Der Zugriff der Staatsgewalt auf Messenger-Dienste ist folgerichtig - die Kriminalitätsbekämpfung im Netz darf nicht dem Netz überlassen bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Freiwillige vor. Die Bundespolizei sucht Testpersonen, die sich als Passanten am Berliner Bahnhof Südkreuz das Gesicht scannen lassen. Damit soll die elektronische Identitätsfeststellung perfektioniert werden, mit der die Behörden in naher Zukunft Jagd auf Terroristen und sonstige Verbrecher machen möchten. Parallel erörtern die Justizminister der Länder, wie zum selben Zweck Daten aus dem Mautsystem oder aus DNA-Spuren gezeichnete Phantombilder verwendet werden sollen. Und ebenfalls im Kampf gegen Kriminalität will der Bundestag an diesem Donnerstag auf breiter Front den Einsatz sogenannter Trojaner ermöglichen, um Internet-Chats und Computer auszuspähen.

Da wird es schwierig mit der Freiwilligkeit. Im Reich elektronischer Erfassung wird regelmäßig eingesammelt, was verfügbar ist, dann erst, wenn überhaupt, unter- oder ausgeschieden. Es ist nachvollziehbar, wenn viele Menschen diesen Szenarien mit Skepsis begegnen und sich als Opfer fühlen, ihrer Privatheit und ihrer informationellen Selbstbestimmung beraubt, die sie als Bürger im demokratischen Verfassungsstaat kennzeichnen. Mit solchen Verlustängsten lässt sich Politik machen, effektive sogar, zuweilen populistische. Aber diese, eher von links, muss sich wie die von rechts die Frage gefallen lassen, wo denn ihre Alternativen sind.

Keine Hardware oder Software macht Polizei und Justiz entbehrlich

Hier wird es dann wieder schwierig. Dass sich aus der Natur des Netzes, gepaart mit dem Guten im Menschen, für alle nur Bestes ergeben kann, ist eine Illusion aus dem Silicon Valley, die nach dem Ableben der Piratenpartei nur noch von Netzgiganten wie Facebook oder Uber gepflegt wird. Vor allem, um sich von Verantwortung freizuhalten und Kasse zu machen. Es würde daher zu Recht als Staatsversagen gebrandmarkt, die digitale Ökonomie sich selbst zu überlassen.

Gleiches gilt für die Verbrechensbekämpfung. Die Erweiterung von Ermittlungsbefugnissen in die Cybersphäre ist geboten. Kein Hersteller, keine Hardware und keine Software kann eine Sicherheit garantieren, die Polizei und Staatsanwaltschaften entbehrlich erscheinen ließe. Wenn es beispielsweise zulässig sein soll, bei begründetem Straftatenverdacht Telefonate zu belauschen, muss dies auch für das Mitlesen von SMS gelten – und für Messenger-Dienste, wie es jetzt vorgesehen ist.

Fahrlässig wäre zugleich, das digitale Sortiment, Stichwort Gesichtserkennung, nicht auf seinen Nutzen zu prüfen. Die Redeweise von ausufernder „Überwachung“ hat mehr mit dem Wachstum des digitalen Angebots und seiner gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Bedeutung zu tun als mit der Übergriffigkeit einer tückischen Staatsmacht.

Vertrauen ist berechtigt, aber es darf nicht blind machen

Nun sind Abgeordnete bekanntlich nicht klüger als die Bürger, die sie vertreten. Deshalb sollte das Vertrauen, das sie für die parlamentarischen Diskussionen verdienen, nicht blind machen. Tatsächlich gibt es keinen Schalter, um das Instrumentarium analoger Strafverfolgung in der digitalen Welt scharf zu stellen. Das führt zu Software-Geburten wie dem Trojaner, dessen rechtsstaatskonforme Aufzucht und Hege weitgehend den Behörden selbst überlassen ist. Ob mit ihm Kommunikation belauscht oder schon eine Durchsuchung vorgenommen wird, verschwimmt zusehends. Hier bedarf es einer Kontrolle, bei der darum gerungen werden muss, wie sie zu gewährleisten ist. Darin liegt die Aufgabe, nicht im Widerstand gegen sinnvolle Gesetze.

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