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Im Nordosten Philadelphias ist das russische Leben in den Vereinigten Staaten besonders sichtbar.

© Oliver Bilger

Trotz aller Vorwürfe: Russen in den USA halten Trump die Treue

Der US-Präsident hat ein Russland-Problem, aber die Russen in Amerika haben kein Trump-Problem. Ein Besuch in Philadelphia, wo das russische Leben besonders sichtbar ist.

Von Oliver Bilger

Die schmalen Glastüren zum Petrovsky Market öffnen wie Tore zu einer anderen Welt. Draußen amerikanisches Vorstadtidyll mit akkurat gestutztem Rasen vor niedrigen Einfamilienhäusern und US-Fähnchen im Blumenbeet. Drinnen Kaviar aus Russland, süße Torten aus der Ukraine, salziges Mineralwasser aus Georgien. An der Bustleton Avenue im Nordosten Philadelphias ist das russische Leben in den Vereinigten Staaten besonders sichtbar. Hier leben jene, die aus dem Osten kamen, um ihr Glück im Westen zu finden – und die sich nach einem Stück alter Heimat sehnen. Apotheker, Schuhhändler oder Frisöre werben mit kyrillischen Schildern um Kundschaft.

Sie kommen aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion, aus Russland, der Ukraine, Moldau und Usbekistan. In einigen Bezirken der Stadt stellt die russischsprachige Gemeinde fast ein Drittel der Bevölkerung. Mehr als vier Millionen Amerikaner haben ihre Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion.

Seitdem Donald Trump im Weißen Haus regiert und der Verdacht einer illegalen Kooperation des Trump-Teams mit Moskau immer drängender wird, rücken die Zuwanderer in den Fokus. Trump hat ein Russland-Problem, aber die Russen in Amerika haben kein Trump-Problem. Im Gegenteil: An der Bustleton Avenue haben die meisten Trump gewählt und halten ihm die Treue. Was denken sie über die Vorwürfe der Einmischung Russlands in den Wahlkampf und mögliche Verstrickungen zwischen Trump und Präsident Wladimir Putin?

Gräben verlaufen durch Familien

Antworten auf diese Frage reißen mitunter Gräben in Familien – zwischen jüngeren liberalen und älteren, oft konservativeren Mitgliedern. Letztere unterstützen traditionell die Republikaner, während die Demokratische Partei in ihren Augen mit dem Sozialismus ihrer alten Heimat gleichzusetzen ist, vor dem sie einst flohen.

Gary Vulakh glaubt, „die Demokraten haben Angst, dass Trump zu mächtig ist“.
Gary Vulakh glaubt, „die Demokraten haben Angst, dass Trump zu mächtig ist“.

© Oliver Bilger

Andrej Voloshin, der im Petrovsky Market ein paar schnelle Einkäufe erledigt, findet, dass Trump „nicht gut ist für Amerika“. Der 35-Jährige ist vor zehn Jahren aus Kiew nach Philadelphia ausgewandert. Er betreibt ein Fliesengeschäft und will seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Voloshin ist überzeugt, dass der Kreml hinter Cyberattacken zur Wahlbeeinflussung steckt. „Putin wollte Veränderungen in der US-Politik herbeiführen, um seine Macht zu vergrößern“, meint er.

Voloshin ist mit dieser Sicht eher die Ausnahme. Ein paar Schritte vom Petrovsky Market sitzt im Hinterraum eines Parfümgeschäfts Gary Vulakh, 57, grauer Schnauzbart, kurzrasierter Haarkranz. Auch er kam aus Kiew, allerdings schon vor fast 40 Jahren, als Moskau den Eisernen Vorhang für Juden in der Sowjetunion ein wenig anhob. Vulakh betreibt eine winzige Werkstatt, in der er Schmuck repariert. Dass Russland auch nur irgendeinen Einfluss auf die Wahl in seinem Land genommen hat, glaubt er nicht. „Könnten die so etwas überhaupt?“, fragt er ungläubig. Von Präsident Putin hält er nur wenig. „Die Demokraten haben Angst, dass Trump zu mächtig ist“, lautet Vulakhs Erklärung für die Vorwürfe in der Russlandaffäre. Trump versuche nur seinen Job zu machen, findet er. „Doch die ganze Zeit wird nur über Russland geredet.“

Viele fühlten sich von Obama vergessen

„Trump will das Beste für das Land“, meint auch Malvina Yakobi, die aus der georgischen Hauptstadt Tiflis in die USA kam und vor über 20 Jahren die Zeitung „Philadelphia News“ gegründet hat. Das Blatt ist so etwas wie das Zentralorgan der russischsprachigen Gemeinde am Platz. Ihre kleine Redaktion befindet sich in einem schmucklosen Bürobungalow an einer breiten Ausfallstraße, gleich hinter der Stadtgrenze.

Die Journalistinnen Malvina Yakobi (links) und Diane Glikman sind für strenge Kontrollen von Einwanderern.
Die Journalistinnen Malvina Yakobi (links) und Diane Glikman sind für strenge Kontrollen von Einwanderern.

© Oliver Bilger

„Viele Amerikaner fühlten sich von der Politik vergessen, viele sind von Barack Obama enttäuscht“, erklärt Yakobi. Dessen Regierung sei korrumpiert gewesen, sagt die 57-Jährige mit den blonden Haaren und einer dick-umrandeten Brille. Die Berichterstattung der meisten Medien erinnere sie aufgrund der einseitigen Sichtweise an Propaganda, erklärt sie, und die kenne sie noch zu gut aus der Sowjetunion. All die angeblichen Verstrickungen Russlands ließen Putin als „den Größten der Welt“ erscheinen, findet Yakobi, „dabei ist er nicht so mächtig, wie ihn die Medien darstellen“. Auch sie kann sich nicht vorstellen, dass Russland die Wahl beeinflusst haben könnte, vielmehr handele es sich um ein Ablenkungsmanöver der Demokraten und der Medien, an dessen Ende Trumps Amtsenthebung stehen solle.

Für Diane Glikman sind die Anschuldigungen „allesamt ein Witz“. Glikman, 45 Jahre alt, langes schwarzes Haar, weiße Bluse, kam mit fünf Jahren aus der Ukraine in die USA. Sie moderiert ein russischsprachiges Programm im Internet und arbeitet dabei mit der Zeitungskollegin zusammen. „Es gibt nur Gerüchte und keine Beweise“, sagt Glikman. Klare Positionen haben die Frauen auch beim Thema Einwanderung. „Wir haben fünf, sechs Jahre gewartet, bis wir die Staatsbürgerschaft bekommen haben“, erklärt Glikman, weswegen sie heute selbst für strengere Kontrollen und Gesetze ist, wie Trump sie will.

Tor zur russischen Welt in der US-Metropole Philadelphia: Der Petrovsky Market.
Tor zur russischen Welt in der US-Metropole Philadelphia: Der Petrovsky Market.

© Oliver Bilger

Trumps Politikstil erinnert an Nachfolgestaaten der Sowjetunion

Die Dekrete, der Nepotismus oder sein Feldzug gegen die Medien – dass Trumps Stil oftmals an die Politik in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion erinnert, ficht die Frauen nicht sonderlich an. Ihnen gefällt, dass kein Politiker im Weißen Haus sitzt, sondern ein Geschäftsmann, noch dazu einer, der es weit gebracht hat. Sie wünschen sich einen starken Anführer. Für sie ist Trump vor allem die Personifizierung ihrer konservativen Ideale. Uneingeschränkt überzeugt dies dann allerdings doch nicht, zumindest nicht Yakobi. Über die Wahl vor einem Jahr sagt sie: „Wir hatten keine gute Auswahl.“

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