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Soldaten und Feuerwehrleute suchen nach Überlebenden in einem Wohngebiet.

© Aziz Karimov/AP/dpa

Trotz internationaler Appelle: Feuerpause in Berg-Karabach nach wenigen Stunden gebrochen

Die zwischen Armenien und Aserbaidschan vereinbarte Waffenruhe hat erneut nicht gehalten. Die Konfliktparteien beschuldigen sich gegenseitig.

Im blutigen Konflikt in der Südkaukasus-Region Berg-Karabach haben Armenien und Aserbaidschan einen neuen Anlauf für eine Feuerpause genommen. Sie trat in der Nacht zum Sonntag in Kraft, war aber bereits wenige Stunden danach brüchig.

Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, die Waffenruhe verletzt zu haben. Armenien sprach nach neuen Angriffen der aserbaidschanischen Seite von Opfern auf beiden Seiten. Zuvor gab es international Appelle, die Kämpfe zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Bereits vor rund einer Woche hatten sich die verfeindeten Länder unter Vermittlung Russlands auf eine Feuerpause verständigt. Diese Vereinbarung war jedoch schon kurz nach Inkrafttreten gebrochen worden. Dafür gaben sich die Konfliktparteien gegenseitig die Schuld - ebenso wie für das Aufflammen der neuen Kämpfe Ende September.

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow appellierte am Samstagabend in Telefonaten mit seinen Kollegen in Armenien und Aserbaidschan eindringlich, sich an die Vereinbarung zu halten. Wenig später kündigten die Außenministerien beider Länder wortgleich eine „humanitäre Waffenruhe“ an.

Armenien und Aserbaidschan beschuldigen sich gegenseitig

Doch bereits in der Nacht erklärte eine Sprecherin des armenischen Verteidigungsministeriums in der Hauptstadt Eriwan, es habe Raketen- und Artilleriefeuer von gegnerischer Seite gegeben. Aserbaidschan habe einen Angriff im Süden der Konfliktregion an der Grenze zum Iran begonnen. Dabei habe es Tote und Verletzte gegeben. Armenien werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen“, um Aserbaidschan zum Frieden zu zwingen, kündigte das Außenministerium an, ohne konkret zu werden.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium wiederum warf Armenien später vor, „grob“ gegen die Vereinbarung verstoßen zu haben. Demnach sollen die Stadt Cebrayil sowie mehrere zuvor von Aserbaidschan unter Kontrolle gebrachte Dörfer von armenischer Seite aus beschossen worden sein. Aserbaidschan habe darauf „Vergeltungsmaßnahmen ergriffen“, hieß es.

Lawrow erinnerte die Konfliktparteien seinem Ministerium zufolge daran, dass die Feuerpause auch humanitären Gründen diene. Dem armenischen Verteidigungsministeriums zufolge wurde jedoch ein Vorschlag zur Rettung von Verwundeten in der Nacht von der aserbaidschanischen Seite „strikt“ zurückgewiesen.

[Mehr zum Thema: Wie gefährlich ist der Krieg um Berg-Karabach?]

Frankreich begrüßte noch vorm Inkrafttreten die Waffenruhe, die auch nach französischer Vermittlung zustande gekommen sei. „Dieser Waffenstillstand muss bedingungslos sein und von beiden Parteien strikt eingehalten werden“, hieß es aus dem Élyséepalast. Frankreich werde die Lage sehr aufmerksam verfolgen“ und „sich weiterhin für eine dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten und die baldige Aufnahme glaubwürdiger Gespräche einsetzen.“

Die beiden Ex-Sowjetrepubliken kämpfen seit Jahrzehnten um die bergige Region mit etwa 145 000 Bewohnern. Berg-Karabach wird von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe.

Bereits am Samstag hatte es neue Kämpfe mit Toten und Verletzten gegeben. Aserbaidschan meldete schwere Angriffe der armenischen Seite auf Ganja, die zweitgrößte Stadt des Landes. Bei dem Raketenbeschuss sind nach Darstellung der Behörden 13 Menschen getötet und 50 verletzt worden. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev nannte den Angriff im Fernsehen ein Kriegsverbrechen und drohte, dass die armenische Führung dafür zur Rechenschaft gezogen werde.

673 tote Soldaten seit Beginn der neuen Kämpfe

Armenien warf dem verfeindeten Nachbarn vor, selbst hinter dem Angriff zu stecken und dies als „Propaganda“ gegen die Armenier zu verwenden. Die Behörden in Eriwan berichteten von Raketenangriffen der aserbaidschanischen Seite, darunter auf Stepanakert, die Hauptstadt von Berg-Karabach.

Das Auswärtige Amt in Berlin rief beide Länder auf, sie müssten „unverzüglich auf den Pfad für eine friedliche und dauerhafte Konfliktlösung zurückkehren“. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell erklärte: „Alle Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen müssen ein Ende haben.“

Aus der mehrheitlich von christlichen Karabach-Armeniern bewohnten Bergregion sind inzwischen Tausende Menschen geflohen. Die Behörden in Berg-Karabach sprachen am Sonntag von 673 getöteten Soldaten seit Beginn der neuen Kämpfe am 27. September. Aserbaidschan machte bislang keine Angaben zu Verlusten bei seinen Streitkräften. Bei armenischen Angriffen seien etwa 60 Zivilisten getötet worden. (dpa)

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