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Gerettete Geflüchtete im Mittelmeer nahe der libyschen Küste

© picture alliance/dpa/Mission Lifeline/Hermine Poschmann

Trotz SPD-Beschluss: Haushaltsentwurf enthält keine Mittel für zivile Seenotrettung

Die Sozialdemokraten forderten auf ihrem Parteitag weitere Hilfen für die zivile Seenotrettung. Die Union will davon nichts wissen.

Stand:

Mit großer Mehrheit hat sich die SPD auf ihrem jüngsten Bundesparteitag dafür ausgesprochen, dass die finanzielle Förderung ziviler Seenotrettung im Mittelmeer weitergehen soll. Doch im jetzt vorgelegten Haushaltsentwurf sind dafür keinerlei Mittel vorgesehen.

Aus dem Bundesfinanzministerium von SPD-Chef Lars Klingbeil heißt es als Begründung dazu: „Das Auswärtige Amt hat keine Mittel für Seenotrettung beim Bundesministerium der Finanzen angefordert.“

Tatsächlich hatte Außenminister Johann Wadephul (CDU) bereits Ende Juni erklärt, dass er eine Weiterfinanzierung für falsch halte und seine Politik darauf ausrichten werde, „mit diplomatischen Mitteln dafür zu sorgen, dass derartige Fluchtbewegungen eingegrenzt werden können“.

Der heutige Außenminister Johann Wadephul gilt schon lange als Kritiker der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. 

© dpa/Katharina Kausche

Werden die Verhandler der SPD nun in den anstehenden Haushaltsverhandlungen Druck machen, um den Parteitagsbeschluss umzusetzen – oder bleibt der Beschluss folgenlos?

Der Antragsteller hat noch Hoffnung

Zu den Initiatoren des Antrags gehörte Bayerns Juso-Landesvorsitzender Benedict Lang. Gegenüber dem Tagesspiegel sagt er, dass die Entscheidung in dieser Frage noch nicht gefallen sei. „Nach der großen Zustimmung auf dem Parteitag wird sich die SPD für die Weiterführung starkmachen. Das ist meine Erwartung, und ich bin zuversichtlich.“

Ein Parteitag darf kein Ort der reinen Selbstversicherung sein.

Gorden Isler von Sea-Eye

Der Rückhalt in der SPD für Seenotrettung sei „sehr groß“, man könne niemanden ertrinken lassen. Die Aussage Wadephuls sei dagegen Ausdruck von Realitätsferne der Union: „Es würde auch niemand die Feuerwehr abschaffen, weil er plant, innerhalb der nächsten zwei Jahre die Standards für Brandschutz im Neubau zu verändern.“

Seenotretter wollen auch ohne Förderung weitermachen

Im Jahr 2022 hatte der Bundestag für die Jahre 2023 bis 2026 eine jährliche Förderung von je zwei Millionen Euro beschlossen. Allein die Mittel, die davon an den Verein Sea-Eye fielen, hätten sechs zusätzliche Rettungsmissionen ermöglicht und dadurch insgesamt 747 Menschenleben gerettet, erklärt der Vereins-Vorsitzende Gorden Isler. Er appelliert an die SPD: „Ein Parteitag darf kein Ort der reinen Selbstversicherung sein, sondern muss für die Haushaltspolitiker handlungsleitend wirken.“

Es ist erschreckend, dass der Außenminister die Finanzierung ersatzlos streicht und der Finanzminister sein politisches Gewicht nicht nutzt, um dem etwas entgegenzusetzen.

Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion

Ob sich die neue Bundesregierung weiter an der Rettung von Menschenleben beteilige, hänge nun maßgeblich vom Engagement der Sozialdemokraten ab: „Die CDU orientiert sich in dieser Frage zunehmend an den Umfragewerten der AfD statt am christlichen Menschenbild.“ Laut Isler wäre der Wegfall der Förderung ein „fatales Signal“. Das Ende der zivilen Seenotrettung würde es jedoch nicht bedeuten.

Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sieht auch den Bundesfinanzminister in der Verantwortung: „Es ist erschreckend, dass der Außenminister die Finanzierung ersatzlos streicht und der Finanzminister sein politisches Gewicht nicht nutzt, um dem etwas entgegenzusetzen.“ Klingbeil stehe vor einem brennenden Haus und kappe den Schlauch, anstatt das Feuer zu löschen: „Das ist verantwortungslos und mutlos.“

Die Streichung der Mittel für die zivile Seenotrettung sei „schäbig“, passe jedoch zur „verlogenen Politik dieser Bundesregierung“, sagt Lea Reisner von der Linken. Schon die zwei Millionen Euro, die „bisher dafür im Haushalt standen, waren ein lächerliches Feigenblatt.“ Seenotrettung sei keine Gefälligkeit der Politik, sondern eine rechtliche und moralische Pflicht: „Statt Menschenleben zu retten, setzt diese Koalition auf Abschottung – bis hin zur faktischen Abschaffung der letzten legalen Fluchtwege wie dem Familiennachzug.“

Der heutige Außenminister Johann Wadephul gilt schon lange als Kritiker der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Bereits 2023 hatte er in einem Interview erklärt, dass er eine Unterstützung der Rettungsorganisationen durch Steuergelder ablehne, da diese ungewollt „Schleuserbanden deren Geschäft“ ermöglichten.

Update: In den jetzt anstehenden Haushaltsberatungen wird die SPD-Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher den Einzelplan 05 für ihre Partei verhandeln. Dieser Einzelplan umfasst die finanziellen Mittel des Auswärtigen Amts. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärt sie: „Ich vertrete die Auffassung, dass die Seenotrettung eine staatliche Aufgabe ist.“ Daher hätte sie sich vom Bundesparteitag ein anderes Signal gewünscht. Sie verstehe den Antrag „jedoch als Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass sich der Staat selbst seiner Aufgabe stellen kann, Menschen vor den Küsten aus der Seenot zu retten.“ Im Bereich der humanitären Hilfe stünde auch für die Seenotrettung Geld zur Verfügung. Dilcher weiter: „Wenn Außenminister Wadephul und Kanzler Merz kein Geld für zivile Seenotrettung einsetzen wollen, gehe ich trotzdem davon aus, dass sie Verantwortung für Menschenleben übernehmen und auch sie sich stark machen für die Erfüllung dieser staatlichen Aufgabe.“

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