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Am Mann: Technik und Codes, um Atomwaffen auszulösen, sind immer in der Nähe des US-Präsidenten.

© dpa/p-a

Trump als Oberster Befehlshaber?: Am Atom-Drücker

„Wenn wir Atomwaffen haben, warum setzen wir sie nicht ein?“ soll Donald Trump seine Berater gefragt haben. Könnte er das? Wie gefährlich wäre er als Präsident mit Zugriff auf diese Waffen?

Eine der Gründe dafür, dass Donald Trump weit über die Grenzen Amerikas hinaus mit Besorgnis beobachtet wird, ist gewiss diese militärische Macht, die ihm nach einem Wahlerfolg im November als US-Staatschef zur Verfügung stünde. Wenn der Mann oder die Frau im Weißen Haus es anordnet, liegen innerhalb einer Stunde mehrere Millionenstädte in fernen Erdteilen in Schutt und Asche – getroffen von US-Atomwaffen. Mit Trump am Drücker könnte ein Atomkrieg näherrücken, befürchten Kritiker. Denn die amerikanischen Gesetze geben dem Präsidenten in der Frage des Atomwaffeneinsatzes freie Hand.

Ein Adjutant mit einer dicken schwarzen Aktentasche hält sich stets in der Nähe des US-Präsidenten auf: Die Tasche enthält Einsatzpläne, Kommunikationsgeräte und Authentifizierungscodes für den Fall eines Atomwaffeneinsatzes; der Präsident trägt immer eine weitere Zusammenstellung mit Einsatzcodes bei sich. Die Aktentasche wird im Geheimdienstjargon „Football“ genannt, die Karte mit den Einsatzcodes ist der „Biscuit“, wie die „Washington Post“ berichtet.

Der Zeitung zufolge gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Pannen mit „Football“ und „Biscuit“. So soll Bill Clinton in seiner Amtszeit als Präsident den „Biscuit“ monatelang verbaselt haben, ohne dass er jemandem davon erzählte. Jimmy Carter gab seinen „Biscuit“ angeblich aus Versehen mit seinem Anzug in die Reinigung.

Den Einsatz von Atomwaffen kann der Präsident ganz alleine anordnen

Im Falle eines Falles kann der Präsident ganz allein anordnen, einen Gegner mit Nuklearwaffen anzugreifen – und zwar unabhängig davon, ob die USA zuerst attackiert werden oder nicht. Rund 900 Atomwaffen in Erdsilos, auf Flugzeugen und auf U-Booten warten auf den Befehl des Präsidenten. Einige der Waffen sind in Deutschland stationiert.

Weder der Verteidigungsminister noch das Parlament oder das Verfassungsgericht können den Präsidenten stoppen. „Fußball“ und „Biscuit“ ermöglichen eine schnelle Entscheidung des Staatschefs immer und überall. Der Präsident habe die alleinige Entscheidungsgewalt über Einsatz von Nuklearwaffen, „Punkt, aus, Ende“, sagte der Atomexperte Kingston Reif von der Arms Control Association, einer Denkfabrik in Washington, dem Nachrichtensender CNN.

Lediglich inoffiziell kann der Präsident umgangen werden. Das Magazin „Politico“ berichtete, unter dem als schweren Trinker bekannten Präsidenten Richard Nixon habe dessen Verteidigungsminister James Schlesinger dem Pentagon befohlen, bei ihm Rücksprache zu halten, falls Nixon einen Atomwaffeneinsatz anordnen sollte.

Die Macht des Präsidenten über Leben und Tod von Millionen Menschen lässt so manchen Beobachter erschaudern, wenn er an Donald Trump denkt. Mehrere Dutzend Sicherheitsexperten der Republikaner warnten jetzt vor der Gefahr, die von einem Präsidenten Trump ausgehen würde. Damit wird die Frage nach Trumps Eignung als Kommandant der amerikanischen Nuklearstreitkräfte endgültig zum Wahlkampfthema. Laut Medienberichten hatte sich der Kandidat in einem Gespräch mit einem namentlich nicht genannten Sicherheitsexperten gleich drei Mal erkundigt, wozu die USA denn Atomwaffen hätten, wenn sie nicht eingesetzt würden.

Die Wahlkampfmanager des Milliardärs dementierten dies. Doch fest steht, dass Trump einen Einsatz von Nuklearwaffen nicht ausschließt. Im Frühjahr verweigerte er in einem Fernsehinterview die Zusicherung, Atomwaffen nicht im Nahen Osten und in Europa einzusetzen. „Ich würde nie alle Karten vom Tisch nehmen“, sagte er: Ein Atomwaffeneinsatz wäre demnach unter einem Präsidenten Trump eine Option der USA als Reaktion auf eine Krise oder eine Bedrohung.

Trump sagt, er wäre „der Letzte, der Atomwaffen einsetzen würde“

Das lässt vielerorts die Alarmglocken schrillen. Trump hat unter anderem angedeutet, dass er Nuklearwaffen für eine Möglichkeit hält, gegen den „Islamischen Staat“ (IS) vorzugehen. Einem Mann, der schon bei einer harmlosen Twitter-Botschaft aus der Haut fahre, sollten keine Atomwaffen anvertraut werden, sagt Trumps Rivalin im Rennen um das Präsidentenamt, Hillary Clinton. Trump selbst betont dagegen, er wäre „der Letzte, der Atomwaffen einsetzen würde“.

Anders als Trump gilt Clinton als sichere Bank, wenn es um Außenpolitik geht. In einer Umfrage der „Washington Post“ und des Fernsehsenders ABC bescheinigten 71 Prozent der Wähler der Ex-Außenministerin „gute Kenntnisse der internationalen Politik“. Bei Trump konnten nur 35 Prozent außenpolitische Expertise erkennen. Rund 60 Prozent sagen, Clinton besitze das nötige Temperament und die Persönlichkeit für das Präsidentenamt. Bei Trump sagen fast zwei Drittel der Amerikaner das Gegenteil.

Nicht nur Normalwähler denken so. Aus Kreisen des US-Geheimdienstapparats ist ein vernehmliches Grummeln mit Blick auf Trump zu vernehmen. Michael Morrell, ein ehemaliger CIA-Chef, bekundete öffentlich seine Absicht, am 8. November für Clinton zu stimmen. Trump als Präsident wäre „womöglich eine Bedrohung unserer nationalen Sicherheit“ und ein „gefährlicher Oberkommandierender“. Morrell beschrieb den Republikaner in der „New York Times“ als Egomanen, der auf Kleinigkeiten mit übertriebenen Reaktionen antworte und Entscheidungen aus dem Bauch heraus fälle statt auf der Basis von Fakten. Der „Fußball“ bei Trump – für Morrell eine Horrorvorstellung.

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