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Rassismus in den USA gibt es nicht erst seit Trump, doch Trumps Rassismus vergrößert das Problem.

© dpa/AP/Patrick Semansky

Trump und der Rassismus in den USA: Die Mördergrube in seinem Herzen

Trump erntet, was er gut gedüngt hat. Der Rassismus, der ihn ins Amt brachte, soll seine Wiederwahl sichern. Nichts anderes bleibt ihm. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es stimmt: Rassismus in den USA gibt es nicht erst, seitdem in Minneapolis George Floyd von vier weißen Polizisten brutal getötet wurde. Es gibt ihn offen und versteckt, systematisch und systemisch. Wer ihn sehen will, sieht ihn. Wer ihn nicht sehen will, sieht ihn nicht.

Als George Floyd starb, starben auch andere. Schwarze in den USA, die an Covid-19 erkranken, haben ein 2,4-fach höheres Risiko an der Infektion zu sterben als Weiße und ein 2,2-fach höheres Risiko als Asiaten und Latinos. In Washington D.C., der Hauptstadt des Landes, sind bis jetzt rund 450 Menschen am Coronavirus gestorben. Achtzig Prozent davon sind Schwarze, die aber nur knapp 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Donald Trump wurde auch deshalb Präsident der Vereinigten Staaten, weil seine Propaganda gegen Barack Obamas Gesundheitsreform, den „Affordable Care Act“, bei weißen Wählern verfing. Viele von ihnen wehrten sich dagegen, dass mit ihren Steuergeldern die Krankenversorgung von Schwarzen und Latinos verbessert werden soll.

Ein bitteres Resultat

In die Wut über die Gesundheitsreform mischten sich von Anfang an auch rassistische Motive. Die privilegierte weiße Mehrheitsgesellschaft in eine Solidar-Verantwortungsgemeinschaft mit allen Amerikanern zu nehmen, wurde als anmaßend zurückgewiesen.

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Nun erntet Trump, was er nicht gesät, aber gut gedüngt hat. Der Rassismus, der ihn einst ins Amt brachte, soll nun seine Wiederwahl sichern. Nichts anderes bleibt ihm, keine andere Karte sticht. Die von der Corona-Pandemie verursachte Rezession und Massenarbeitslosigkeit haben seine Themenpalette drastisch verengt. Das Resultat ist bitter.

Zu sehen ist ein Präsident, der sich den kurzen Fußweg vom Weißen Haus zur gegenüberliegenden „St. John’s Episcopal Church“ mit Tränengas freischießen lässt. Dort hält er eine Bibel hoch und sagt: „Wir sind das großartigste Land der Welt.“ Zu sehen ist ein Präsident, der droht, „das Militär einzusetzen und das Problem schnell zu lösen“.

Zu sehen ist ein Präsident, der kein einziges Wort über Rassismus verliert, aber nach Herzenslust über „einheimische Terroristen“, „Kriminelle“ und eine „Antifa“ schwadroniert, die er als Terrororganisation einstufen lassen will.

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Er wartet auf Plünderungen

Kein Zufall, dass dieser Präsident immer mal wieder den zweiten Verfassungszusatz erwähnt, der das Recht auf Waffenbesitz garantiert. Denn das beflügelt einen Teil seiner Anhänger, mit ihren Methoden für Recht und Ordnung zu sorgen. Kein Zufall auch, dass dieser Präsident jede Möglichkeit zur Polarisierung nutzt. Er wartet auf eine Plünderung, um nicht über die Anlässe der landesweiten Rebellion sprechen zu müssen.

Wie in einem Brennglas verdichten sich in diesen Tagen Trumps Rassismus und seine Phobie vor einem „tiefen Staat“, dessen Vertreter ihn stürzen wollen - das FBI, die Wallstreet, Silicon Valley, die Medien. Offenbar projiziert er sein eigenes schlechtes Gewissen auf die Motive seiner Gegner. Trump lebt in einer Wahnwelt, aus der er nicht mehr herausfindet. Er macht nicht länger aus seinem Herzen eine Mördergrube, sondern Herz und Grube sind längst eins geworden.

Vor knapp drei Jahren, am 4. Juli 2017, pünktlich zum Nationalfeiertag, an dem Amerika seine Unabhängigkeit feiert, beschloss der Sender NPR, etwas Neues zu wagen. Seit Jahrzehnten wurde an diesem Tag die Unabhängigkeitserklärung im Radio verlesen. Nun sollte sie in 112 Tweets über Twitter verbreitet werden.

Leben, Freiheit und Streben nach Glück

Was folgte, war ein Aufstand von Trump-Getreuen, die die Zitate nicht erkannt hatten. NPR habe eine Mission, rufe zur Revolution auf, verbreite Fake News und Propaganda, hieß es empört, einige spekulierten, der Twitter-Account von NPR sei gehackt worden.

Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten ist ein herausragendes Dokument der politischen Philosophie und ein Fundament der Menschenrechtslehre. Alle Menschen seien gleich geschaffen und mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet worden, heißt es in der Präambel. Dazu gehörten Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.

Formuliert wird auch ein Widerstandsrecht. Wenn nämlich eine Regierungsform „diesen Endzwecken verderblich wird“, sei es „das Recht des Volkes, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen“. Und weiter: Falls eine unumschränkte Herrschaft errichtet werden soll, sei es das Recht der Menschen, „ja ihre Pflicht“, eine solche Regierung zu stürzen.

Im Bunker verbarrikadiert

Die zum Teil wütenden Reaktionen auf die NPR-Tweets sind entlarvend. Sie zeugen von einer tiefsitzenden Angst – vor Umsturz, Rebellion, Widerstand. Dass es dafür eine Rechtfertigung in der Unabhängigkeitserklärung geben könnte, verstärkt diese Angst.

Rassismus in den USA gibt es nicht erst seit Trump und nicht erst seit dem Tod von George Floyd. Doch Trumps Rassismus vergrößert das Problem. Sein Kalkül, sich bei einem Brand, den er selbst mitgelegt hat, als Feuerwehrmann profilieren zu können, ist blanker Zynismus.

Laut CNN soll sich Trump in den vergangenen Tagen vorübergehen im Bunker des Weißen Hauses verbarrikadiert haben. Falls das stimmt, wäre es die Bilanz seiner Präsidentschaft in einem einzigen Bild.

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