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Angela Merkel und Hillary Clinton 2011.

© dpa

Trumps Kritik an der deutschen Politik: Clinton ist keine Merkel

Donald Trump weiß wenig über Deutschland und wettet, dass es seinen Wählern ähnlich geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wie in den Vorwahlen, so auch im Hauptwahlkampf: Amerika blickt nach Europa. In früheren Wahljahren war das die Ausnahme. 2016 sind Deutschland, seine Kanzlerin und die Flüchtlingspolitik Themen für die Präsidentschaftskandidaten, im Guten wie im Schlechten. Hillary Clinton verspricht neue Jobs durch erneuerbare Energien. Deutschland und China arbeiteten daran, zur Supermacht der sauberen Energien aufzusteigen. Sie möchte, dass Amerika es werde. Der aus dem Rennen ausgeschiedene Bernie Sanders wollte, dass die USA sich beim kostenlosen Studium und der Krankenversicherung an Europa orientieren.

„Hillary Clinton will die Angela Merkel Amerikas werden“

Donald Trump hingegen dient Deutschland als Negativbeispiel einer verfehlten Flüchtlingspolitik. Der Mann, dessen Großvater aus Kallstadt in der Pfalz nach Amerika auswanderte, schimpft über Germany und Angela Merkel: Die habe die Kontrolle verloren und lasse potenzielle Terroristen ohne Ausweispapiere ins Land. Jetzt hat er nachgekartet: „Hillary Clinton will die Angela Merkel Amerikas werden.“ Merkels Politik sei „eine Katastrophe“. Die Kriminalität in Deutschland habe ein zuvor undenkbares Niveau erreicht.

Unabhängig davon, ob man Merkels Umgang mit dem Flüchtlingsandrang begrüßt oder ablehnt: Es gibt keinen Hinweis, dass eine Präsidentin Clinton hunderttausende Muslime aus Kriegsgebieten in die USA einreisen lassen würde. Die geografischen Bedingungen sind völlig andere. Islamische Flüchtlinge müssten, wenn sie kämen, erst einmal den nordamerikanischen Kontinent erreichen: über Flugplätze oder Seehäfen. Auch die USA haben zwar eine poröse Landgrenze nach Süden, über die jedes Jahr Hunderttausende illegal einreisen. Das sind aber Latinos aus Mexiko, Mittel- und Südamerika auf der Suche nach Jobs, die in Dollar bezahlt werden. Es ist kein Fall bekannt, in dem Terrorverdächtige auf diesem Weg, einem tagelangen Fußmarsch durch Wüstengebiet unter Todesgefahr durch Verdursten, in die USA kamen.

Warum sollte deutsche Realität sie schrecken?

Was überhaupt verbindet Clinton und Merkel politisch – außer dass die eine die erste Frau an der Regierungsspitze ist und die andere es werden möchte? Merkels Besetzung der Mitte (durch eine Sozialdemokratisierung, die Widerstand in der CDU auslöst) ist für Clinton kaum möglich. Erstens hat Sanders sie in den Vorwahlen auf Linkskurs gezwungen. Zweitens polarisiert Hillary zu sehr, als dass Kuscheln Erfolg verspräche. „Clinton gleich Merkel“ ist ein typisch Trump’scher Beleidigungsversuch, der zweierlei verrät: Er weiß wenig über Deutschland und wettet, dass es seinen Wählern ähnlich geht. Warum sollte deutsche Realität sie schrecken? Die meisten von ihnen hätten hier mehr soziale Sicherheit als daheim.

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