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Die Ex-Premierminister Milos Zeman (links) und Jan Fischer gelten als Favoriten bei der Präsidentenwahl.

© Reuters

Tschechien: Neuer Geist auf der Burg

Erstmals entscheiden die Tschechen per Direktwahl über ihren Präsidenten – der Nachfolger von Vaclav Klaus dürfte einen EU-freundlicheren Kurs verfolgen.

Eins haben die tschechischen Präsidentschafts-Kandidaten schon versprochen: Die europäische Fahne wird nach der Wahl auf der Burg gehisst. Dort, auf dem mächtigen Hradschin oberhalb der Prager Altstadt, ist traditionell der Amtssitz des Staatsoberhauptes – und bislang der letzte Winkel des Landes, an dem die EU unerwünscht war. Vaclav Klaus, der amtierende Präsident und notorische EU-Skeptiker, hat demonstrativ verboten, das Sternenbanner auf der Burg aufzuhängen. Wenn jetzt mit dem Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit sein Nachfolger das Amt übernimmt, dürfte sich damit aber nicht nur die Beflaggung der Burg, sondern auch der außenpolitische Kurs Tschechiens ändern.

Zum ersten Mal in der Geschichte ihres Landes entscheiden die Tschechen am Freitag und Samstag per Direktwahl über ihren neuen Präsidenten. Neun Kandidaten treten an; als Favoriten gelten die früheren Premierminister Milos Zeman und Jan Fischer sowie der derzeitige Außenminister Karel Schwarzenberg. Die Wahl hat eine große symbolische Bedeutung: Zwar hat das Staatsoberhaupt gemäß der tschechischen Verfassung vor allem repräsentative Aufgaben, allerdings haben die beiden Nach-Wende-Präsidenten Vaclav Havel und Vaclav Klaus das Bild des Landes in der Welt nachhaltig geprägt. Beide nutzten ihren Gestaltungsspielraum dazu, in die Tagespolitik einzugreifen. Bei Klaus zeigte sich das vor allem am zurückhaltenden Kurs gegenüber der EU, mit dem er wiederholt die europafreundlichere Regierungspolitik blockiert hat.

Der bevorzugte Kandidat des amtierenden Staatspräsidenten ist erklärtermaßen der 68-jährige Milos Zeman. Der frühere Sozialdemokrat, der bei der Wahl für eine selbst gegründete Partei antritt, war von 1998 bis 2002 Regierungschef. Vielen Tschechen gilt der rhetorisch gewandte Zeman, der sich anders als Vaclav Klaus gern als einfacher Mann aus dem Volk gibt, als Vertreter einer alten Zeit: Politisch ist er sozialisiert in den 90er Jahren, die geprägt waren von der wilden Privatisierung und scharfen Rivalitäten in der Politik. Und: Er war Mitglied der kommunistischen Partei. Zu diesem Makel aus der Vergangenheit steht Zeman heute offen – genauso wie sein wohl chancenreichster Gegner im Kampf um das Präsidentenamt, Jan Fischer. Der 62-Jährige war bis 1989 Kommunist, wohl um seine Karrierechancen zu erhöhen. Bis 2009 kannten ihn nur die wenigsten Tschechen: Fischer leitete das tschechische Statistik-Amt – und wurde dann 2009 nach dem Sturz der damaligen Koalition völlig überraschend zum parteilosen Chef einer Beamtenregierung ernannt, die bis 2010 amtierte. In dieser Zeit fiel Fischer durch sein unaufgeregtes Handeln und seinen nüchternen Stil auf – in der Prager Politik, in der sonst viel Kraftmeierei zu finden ist, war das etwas Neues. Daraus speisen sich bis heute Fischers Sympathiewerte bei den Wählern.

„Wir brauchen einen Präsidenten mit hohen moralischen Grundsätzen, der nicht durch seine Vergangenheit kompromittiert ist“, sagt Karel Schwarzenberg, der dritte der aussichtsreichen Kandidaten. Der 75-Jährige zielt damit auf die kommunistischen Altlasten seiner Rivalen. Schwarzenberg selbst unterstützte vor der Wende aus seinem österreichischen Exil die tschechoslowakischen Dissidenten und wurde später zum Bürochef des ersten demokratischen Präsidenten Vaclav Havel. Dessen Werte werde er hochhalten, wenn er Präsident wird, verspricht Schwarzenberg. Seinen Posten als Vorsitzender der selbst gegründeten Mitte-Rechts-Partei Top09 werde er im Erfolgsfall niederlegen.

Meinungsforscher billigen neben den Favoriten zwei weiteren Kandidaten um die tschechische Präsidentschaft, Jiri Dienstbier und Vladimir Franz, Außenseiterchancen zu. Das Bild von Franz ist vor allem wegen seines Ganzkörper-Tattoos im Wahlkampf um die Welt gegangen; der exzentrische Hochschulprofessor wird vor allem von Künstlern unterstützt. Jiri Dienstbier indes, der Sohn des gleichnamigen Dissidenten und früheren Außenministers, tritt für die Sozialdemokraten an.

Unter Beobachtern gilt es als wahrscheinlich, dass keiner der Kandidaten bei der ersten Runde die erforderlichen 50 Prozent erhält. In diesem Fall käme es zwei Wochen später zu einer Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Kandidaten.

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