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Tschechien und Slowakei: Der Bann bricht

Ewiggestrige und neue Linke werden salonfähig. Zu ihren Wurzeln stehen die Parteimitglieder ganz offen.

Wer die Parteizentrale der tschechischen Kommunisten betritt, fühlt sich wie in einer Zeitmaschine: Das karge Treppenhaus wurde seit Jahrzehnten nicht renoviert, an den Wänden der Büros hängen Porträts von Marx und Engels. Zu ihren ideologischen Wurzeln stehen die Parteimitglieder ganz offen. Viele trauern der Vergangenheit nach, in der die Kommunisten an der Macht waren. Bis heute gilt die Partei als unreformiert, ihre obersten Repräsentanten tun sich häufig schwer mit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Verbrechen im Namen des Kommunismus.

Bei einigen Wählern kommt die rückwärtsgewandte politische Rhetorik gut an: Zwischen zehn und 15 Prozent erzielen die Kommunisten, die Stammwählerschaft scheint stabil zu sein. Früher noch zuckte man darüber bei den anderen Parteien bloß mit den Schultern: „In ein paar Jahren“, hieß es sarkastisch, „sterben deren Wähler ohnehin aus.“ Angesichts der jüngsten Erfolge sind diese Stimmen leiser geworden. Nach den Regionalwahlen vor einigen Monaten haben die Kommunisten in einigen Bezirken in einer Koalition mit den Sozialdemokraten den Weg zurück an die Macht geschafft. Bislang herrschte ein stillschweigender Konsens quer durch alle Parteien, dass eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten tabu ist. Ob das auch nach den Parlamentswahlen 2010 noch gilt, ist zu bezweifeln: Zumindest über eine Minderheitsregierung unter Duldung der Kommunisten hat die sozialdemokratische Parteiführung schon in der Vergangenheit laut nachgedacht. Eine so entscheidende politische Kraft, hieß es, könne man nicht einfach ignorieren. Und ein Phänomen der Rentner ist die kommunistische Partei auch nicht mehr: Der radikale Jugendverband trat jüngst oft lautstark in Erscheinung.

In der benachbarten Slowakei dagegen spielen die Kommunisten so gut wie keine Rolle mehr. Bei den letzten Wahlen sind sie sogar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Die staatsdirigistische Ideologie allerdings ist damit nicht aus dem Parlament gebannt: Die linkspopulistische Partei Smer (Richtung) stellt als stärkste politische Kraft des Landes sogar die Regierung und versucht, sich mit sozialen Wohltaten – finanziert über Schulden – vor allem bei den Schwachen zu profilieren. Premierminister Robert Fico fällt mit markigen Sprüchen auf, die eher an einen Sozialisten erinnern: Den Energieversorgern etwa drohte er unlängst mit Verstaatlichung, wenn sie die Preise weiter erhöhten.Kilian Kirchgeßner

Kilian Kirchgeßner

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