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Politik: Tschechien: Zurück in die Zukunft?

Die regierenden tschechischen Sozialdemokraten (CSSD) müssen sich entscheiden: Zwischen ihren guten und schlechten Traditionen, die auch ihre Zukunft bestimmen werden. Bei ihrem Parteitag an diesem Wochenende stand nicht nur die Wahl des Vorsitzenden an.

Die regierenden tschechischen Sozialdemokraten (CSSD) müssen sich entscheiden: Zwischen ihren guten und schlechten Traditionen, die auch ihre Zukunft bestimmen werden. Bei ihrem Parteitag an diesem Wochenende stand nicht nur die Wahl des Vorsitzenden an. Der polarisierende Parteichef (und zugleich Ministerpräsident) Milos Zeman trat ab, bestimmte aber in fast monarchistischer Manier seinen Nafolger. Sein Kronprinz, der 49-jährige Vladimír Spidla, hatte keinen Gegenkandidaten und wurde mit 87,5 Prozent der Stimmen am Samstag gewählt. Spidlas originelles Merkmal: Er war nie in der kommunistischen Partei.

Die Sozialdemokraten Tschechiens ringen nämlich sonst mit der eigenen kommunistischen Vergangenheit. Sie berufen sich zwar demonstrativ auf ihre lange Tradition, die bis in die letzten Dekaden der k.u.k.-Monarchie reicht. Deshalb wird der jetzige Parteitag stolz als der 30. präsentiert. Die Schatten aus ihrer Geschichte holen sie aber stets ein. Es war eine eigene, innerparteiliche Fraktion unter dem Moskauer Vasallen Zdenek Fierlinger, die noch vor dem kommunistischen Umsturz in der damaligen Tschechoslowakei (CSR) vom Februar 1948 in der Partei erfolgreich geputscht hat und nach der Einbindung des Landes in das Sowjetimperium die CSSD in der KP aufgehen ließ. Der Preis: Die unbeugsamen Sozialdemokraten wurden verfolgt, inhaftiert, ermordet. Nur wenigen gelang die Flucht in den Westen.

Der Neuanfang nach dem Zusammenbruch der KP-Diktatur Ende 1989 war daher nicht zuletzt unter dem personellen Aspekt schwierig. Wenn auch in der Erneuerungsphase zeitweilig von dem Rückkehrer aus dem US-Exil, Jirí Horák, angeführt - die Mehrheit der CSSD-Mitglieder und -Funktionäre aus der älteren und mittleren Generation sind ehemalige Kommunisten. Es ist gewissermaßen eine Umkehrung der Zwangsvereinigung mit der KP von 1948. Der Unterschied besteht aber darin, dass damals unter dem Totalitarismus das sozialdemokratische Gedankengut sofort erstickt wurde; heute, in der Demokratie, lebt in den Köpfen vieler tschechischer Sozialdemokraten die ideologische Engstirnigkeit und das alte hierarchische Denken aus ihrer kommunistischen Vergangenheit fort.

So hatte etwa die bei der Basis und in der breiten Öffentlichkeit populäre CSSD-Politikerin Petra Buzková, die selbst einer vor dem Zweiten Weltkrieg namhaften sozialdemokratischen Familie entstammt, keine Chance, die Wagenburg um Zeman zu durchbrechen, um an die Spitze zu gelangen. Dabei hätte sie vor den Wahlen im kommenden Jahr mit ihren etwa der britischen New Labour entsprechenden pragmatischen Positionen die beste Voraussetzung gehabt, für die Partei auch Stimmen aus der bürgerlichen Mitte zu holen. Statt dessen wurde sie vorab mit einer Rufmordkampagne ihrer innerparteilichen Gegner überzogen, die sie sogar in die Nähe des Rotlichtmillieus rücken sollte.

Der sozialdemokratische Zentrist Spidla muss nun eine wichtige Hürde überwinden: Er muss das Erbe des exkommunistischen Einflüsterers Miloslav Slouf, des Beraters von Zeman, abschütteln und eine Annäherung an die Kommunisten (KSCM), die jedes Umdenken weiter verweigern, verhindern. Der linke CSSD-Flügel, der das seit 1995 in den Parteistatuten verankerte Verbot von Kooperationen mit der ultrakonservativen KP aushebeln möchte, ist nicht schwach; er wird unter anderen vom Außenminister Jan Kavan angeführt. Wenn die CSSD das Kainsmal des Selbstverrats und damit der demokratischen Unzuverlässigkeit aus der Zeit um 1948 loswerden will, darf sie sich keine neue Kumpanei mit den Kommunisten erlauben. Darüber hinaus: Wenn die Sozialdemokraten dramatische Stimmenverluste bei der Wahl 2002 verhindern wollen, müssen sie sich gegenüber neuen, demokratischen Koalitionspartnern öffnen. Der Zaubertrick Zemans von 1998 hat viele sozialdemokratische Wähler zutiefst verärgert. Nach den damaligen Wahlen schloss der CSSD-Chef einen "Oppositionsvertrag" mit den Bürgerlichen Demokraten (ODS) von Václav Klaus, der ihm die Bildung einer Minderheitsregierung ermöglichte. Seitdem wird das CSSD-Kabinett zwar von der ODS geduldet, gleichzeitig aber in seiner Arbeit blockiert.

Alexander Loesch

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