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Politik: Tschuldigung

Grünen-Chefin Beer tun ihre Fehler leid. Dennoch ließen die Delegierten sie im ersten Wahlgang durchfallen

Von Matthias Meisner

Am Ende ist doch noch gut gegangen für Angelika Beer. Es war der zweite Anlauf der Grünen-Vorsitzenden, die in Dresden um einen aussichtsreichen Platz auf der Europawahlliste der Grünen kämpfte – Platz drei hat ihr bereits Heide Rühle streitig gemacht, Europaabgeordnete und langjährige Bundesgeschäftsführerin der Partei. Doch ein weiteres Mal wollten die Delegierten ihre Parteichefin nicht hängen lassen. Beer landete schließlich bei fünf, dem dritten Frauen-Platz auf der Kandidatenliste. Die ungeliebte Vorsitzende ist also doch nicht nach hinten durchgereicht worden – und ihr Weg nach Straßburg vor den Vorstandsneuwahlen im kommenden Jahr frei.

Erleichterung war vielen in der Grünen-Spitze anzumerken. Sie umarmten Beer auf der Bühne. „Einen wesentlichen Beitrag“ zur Arbeit in der künftigen europäischen Fraktion werde Beer leisten, meinte die Spitzenkandidatin Rebecca Harms. Zu ihrer Vorstellungsrede hatte Beer ein Dauerlächeln aufgesetzt und auf Emotionen gesetzt. Sie sei nicht der Typ, der nach Karriere schielt, doch auch nicht eine, die bei der ersten scharfen Brise gleich die Segel streiche. „Lasst uns Europa in die Herzen tragen“, appellierte sie.

Schon in ihrer Rede am Freitag hatte die Parteichefin versöhnliche Töne angeschlagen – und bedauert, dass sie im Streit um die Agenda 2010 den Konflikt mit den Globalisierungskritikern von Attac so zugespitzt hatte. „Vielleicht haben wir es versäumt, von Anfang an unsere Politik besser zu erklären“, räumte Beer ein. „Und vielleicht ist an der einen oder anderen Stelle auch ein etwas zu harsches Wort als Antwort auf harsche Kritik gefallen. Dabei fasse ich mir auch an die eigene Nase.“ Benedikt Lux, der Bundeschef der Grünen Jugend, zeigt sich zufrieden: „Eine Parteivorsitzende muss sich einen Ausfall erlauben können. Das ist entschuldbar. Jetzt hat sie sich entschuldigt.“

Auch Daniel Cohn-Bendit hatte Beer vor dem Parteitag dafür gerügt, dass sie Attac als politikunfähig und sektiererisch bezeichnet hatte. „Wir sollten uns davor hüten, gegenüber außerparlamentarischen Bewegungen in einen sozialdemokratischen Jargon zu verfallen“, sagte er. Seine Wahl auf Platz zwei der Liste, den ersten Männer-Platz, verlief planmäßig, wie bei Rebecca Harms ohne Gegenkandidatur und nach grünem Maßstab mit einem Traumergebnis von fast 85 Prozent. Nach seiner Wahl lobte er einen Parteitag „von außerordentlicher Klugheit“. Der Landwirt und EU-Parlamentarier Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf machte dem starken Chef der NRW-Grünen, Frithjof Schmidt, Platz vier streitig. Der Linke Schmidt kam erst auf Platz acht. Unerwartet errang die Leipzigerin Gisela Kallenbach Platz sieben, gleich nach Cem Özdemir, dem die Partei Fehler mit Bonusmeilen und einem Kredit vom PR-Mann Moritz Hunzinger verziehen hat. Der Berliner Verkehrsexperte Michael Cramer erreichte den ebenfalls noch aussichtsreichen Platz zehn.

Cohn-Bendit jedenfalls war gut gelaunt – so wie die meisten Grünen, die sich mit ihrem Personaltableau überlegen sehen im Vergleich zu vielen eher unbekannten Bewerbern der Volksparteien. Im Überschwang heizte Cohn-Bendit dann auch gleich das Gerücht noch einmal an, Joschka Fischer ziehe es nach der Bundestagswahl 2006 als Außenminister nach Europa. Fischer selbst konnte nicht kommen, er hatte sich für 15 Minuten am per Video vom EU-Außenministertreffen aus Neapel zuschalten lassen. Zu einzelnen Kandidaten sagte er nichts. Doch seinen Appell „trefft solidarische Entscheidungen“ verstanden viele im Saal als Parteinahme für Beer.

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