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Der Geheimdienstchef Hakan Fidan (hier ein Bild aus dem Jahr 2013) wusste frühzeitig von dem Putschversuch in der Türkei.

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Türkei: Das Rätsel der Putschnacht

Der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan wusste frühzeitig von dem Putschversuch. Doch warum informierte er Präsident Recep Tayyip Erdogan erst einige Stunden später?

Als die Panzer am späten Freitagabend auf die Bosporusbrücke in Istanbul rollten, wusste Recep Tayyip Erdogan schon von dem Putsch. „Ich habe die Nachricht von meinem Schwager erhalten. Ich konnte es nicht glauben“, erzählte der türkische Staatspräsident nun in einem Interview mit dem Sender Al Dschasira. Doch Erdogans Geheimdienstchef wusste sogar noch früher davon.

Hakan Fidan, der Chef des mächtigen Nationalen Nachrichtendienstes (MIT), rief am vergangenen Freitag gegen 16 Uhr den Generalstab der Armee an. Der Geheimdienst habe Hinweise auf den Beginn eines Putsches, sagte er dem Armeechef. Der ließ um 18.30 Uhr alle Truppenbewegungen stoppen und den Luftraum für Militärflugzeuge schließen. Tayyip Erdogan war zu dem Zeitpunkt noch in einem Luxusappartement auf dem Gelände des Fünfsterne-Hotels Grand Yazici in Marmaris am Mittelmeer. Der Staatschef machte Urlaub mit der Familie. Da meldete sich sein Schwager. Ziya Ilgen, der Ehemann von Erdogans Schwester Vesile, ist Geschäftsmann und pensionierter Lehrer. Er scheut die Öffentlichkeit. Aber auch er wusste von einem Putsch, der in Gang war.

Als Hakan Fidan, der Geheimdienstchef, endlich beim Präsidenten im Hotel anruft, ist es 20 Uhr. Zwei Stunden später stehen die Panzer auf der Bosporusbrücke. „Es gab Fehler beim Geheimdienst“, stellt Erdogan am Mittwochabend im Interview mit Al Dschasira fest. Der Coup hätte vermieden werden können, wenn die Informationen früher eingetroffen wären, so sagt er.

Der Geheimdienstchef gilt als Vertrauter Erdogans

Dabei ist Fidan Erdogans Vertrauter, er hatte ihn noch in seiner Zeit als Ministerpräsident an die MIT-Spitze berufen. Den Geheimdienst baute Erdogan als seine Schutzmacht gegen Armee und Polizei auf. Warum Hakan Fidan den Präsidenten nicht bereits am Freitagnachmittag unterrichtete, ist nun die große Frage. Für die Putschisten, die auch im Generalstab saßen und mitbekamen, dass Fidan von der Verschwörung wusste, musste nun alles schneller gehen: Der Staatsstreich wurde angeblich um rund sechs Stunden vorverlegt – von Samstag, drei Uhr morgens, auf Freitag gegen 21 Uhr.

Präsident Erdogan bewies in der Putschnacht einige Kaltblütigkeit. Seinen Aufruf über Facetime an das türkische Volk, auf die Straßen zu gehen, gab er noch vom Hotel in Marmaris ab. Dann ließ er sich mit einem Hubschrauber nach Dalaman fliegen, wo sein Regierungsjet stand. Das Spezialkommando der Armee, das ihn fassen oder töten sollte, kam wenige Minuten zu spät.

Özkan Aydogdu, der Brigadegeneral, der die Panzer auf die Bosporusbrücke schickte und dann auch auf die Zivilisten feuern ließ, soll mittlerweile ein Geständnis abgelegt haben. Er habe den Putschplan am 13. Juli erhalten und seinen Soldaten den Urlaub gestrichen, sagte Aydogdu demnach. Er bereue nichts.

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