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Türkei: Ein historischer Einschnitt von kurzer Dauer

Nie zuvor saßen Kurden im türkischen Kabinett. Jetzt stellen sie den Europaminister der Türkei - und fordern Reformen.

Die neue türkische Regierung, die am Wochenende die Arbeit aufgenommen hat, wird nur zwei Monate im Amt sein, bis zur Neuwahl am 1. November – und doch schreibt sie Geschichte. Zum ersten Mal überhaupt stellt eine Kurdenpartei zwei Minister in einer Regierung in Ankara. Und zum ersten Mal seit fast 13 Jahren regiert die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht alleine.

Die November-Wahl wurde anberaumt, weil nach der regulären Wahl im Juni die Regierungsbildung scheiterte. Da die Verfassung für diesen Fall eine Allparteienregierung vorsieht, stellt die Kurdenpartei HDP nun mit Ali Haydar Konca den türkischen EU-Minister; sein Parteikollege Müslüm Dogan ist Minister für Wirtschaftsaufbau.

Für die Kurdenpartei HDP zählt bei der Regierungsbeteiligung vor allem die Symbolik

Für die HDP zählt bei der Regierungsbeteiligung vor allem die Symbolik. Schließlich ist das neue Kabinett eine Folge der Schlappe der AKP bei der Juni-Wahl, als sie die absolute Mehrheit im Parlament einbüßte. Die HDP zog mit 13 Prozent ins Parlament ein.

Konca, ein 65-jähriger Anwalt aus dem osttürkischen Mus, der in seiner Karriere auch schon als Landrat im Staatsdienst gearbeitet hat, gehört in der HDP nicht zur ersten Reihe. Im neuen Amt will er Bescheidenheit demonstrieren – er lehnt den ihm zustehenden Dienstwagen ab – und die EU-Vorgaben für die Beitrittskandidatin Türkei wieder mehr in den Vordergrund rücken. Gleich in seinem ersten Interview sagte Konca der Zeitung „Habertürk“, die Türkei müsse ihren Demokratisierungsprozess neu beleben.

Beide, Kurden und AKP-Minister, streben einen Waffenstillstand mit der PKK an

Die Regierungsbeteiligung verleiht der HDP, die sich mit dem Vorwurf enger Verbindungen zur PKK herumschlagen muss, im Wahlkampf zusätzliche Respektabilität. Doch als Mitglied in der Regierung trägt sie ab sofort auch Mitverantwortung für die Zustände im Land und muss sich deshalb noch mehr als bisher mit den neu aufgeflammten Gefechten zwischen der Armee und der PKK befassen.

Hier treffen sich die Interessen von AKP und HDP: Beide würden vor der Wahl von einem Ende der Gewalt profitieren. Die HDP fordert von der PKK einen neuen Waffenstillstand und verlangt, auch die Armee solle das Feuer einstellen. Zudem gibt es Gerüchte über einen bevorstehenden Waffenstillstands-Aufruf des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan zum Weltfriedenstag am 1. September. Konca schrieb auf Twitter, er hoffe, dass die neue Regierung die Waffen zum Schweigen bringen kann.

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