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© dpa

Türkei: Entführt am Berg Ararat

Die PKK hat in der Osttürkei drei bayerische Bergsteiger verschleppt – offenbar um die deutsche Politik zu treffen. Unklar bleibt, ob es sich um eine Einzelaktion handelt.

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Die Sintflut war nur eine kurze Episode für den Berg Ararat, verglichen mit dem PKK-Krieg. Nur zehn Monate lang war der Ararat nach biblischer Überlieferung im Wasser versunken, fast zehn Jahre lang war er wegen des Kurdenkonflikts vom türkischen Militär gesperrt. Vor allem wegen der Gefahr von Entführungen durch die kurdischen PKK-Rebellen durfte bis vor wenigen Jahren kaum eine Ziege den biblischen Berg betreten, auf dem die Arche Noah einst gelandet sein soll.

Erst im Jahr 2001 gaben die Behörden den Berg wieder für Gipfelstürmer frei, als die PKK militärisch geschlagen und durch die Ergreifung ihres Anführers Abdullah Öcalan auch politisch besiegt schien. Bergsteiger aus aller Welt kommen wieder in die Osttürkei, um den Ararat zu erklimmen. Doch offenbar haben sich Bergsteiger und Behörden zu früh gefreut: PKK-Rebellen haben nun drei Deutsche auf dem Ararat entführt.

Vergeltung für die Maßnahmen gegen PKK-Angehörige in Deutschland

Die PKK wird seit 2002 von der Europäischen Union auf einer so genannten Terrorliste geführt. Dagegen haben Funktionäre der PKK, die sich inzwischen Kongra-Gel nennt, geklagt. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg gab ihnen Recht. Im April entschied der Gerichtshof, die EU habe ihre Entscheidung von 2002 nicht ausreichend begründet. Der EU-Ministerrat sieht die Einstufung der PKK als terroristische Organisation jedoch inzwischen als hinreichend präzisiert und belässt sie auf der Liste.

Die Geiselnehmer wollten indes primär Deutschland treffen. Es handele sich bei der Entführung um Vergeltung für "die Maßnahmen, die der deutsche Staat in jüngster Zeit gegen die Vereine und Anhänger der PKK eingeleitet hat“, hätten die freigebliebenen Bergsteiger nach ihrer Rückkehr berichtet, sagte der Gouverneur der Provinz Agri, Mehmet Cetin.

Handelt es sich um eine Einzelaktion?

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Monat den PKK-Sender Roj-TV verboten, eine Produktionsfirma und ein Fernsehstudio des Senders geschlossen und ihr Vermögen eingezogen. Der Sender rufe zu Gewalt auf und werbe für die von der Bundesrepublik und der EU als Terrororganisation eingestufte PKK, begründete Berlin das Verbot. Die Behinderung für den Satellitensender, der aus Dänemark sendet und dessen kurdische und türkische Programme in ganz Europa, der Türkei und dem Nahen Osten zu empfangen sind, dürfte zwar relativ gering gewesen sein. Die PKK tut sich dadurch aber deutlich schwerer, ihre Anhänger in Deutschland zu erreichen – und ist entsprechend erbost. Mit Mahnwachen vor dem Bundesinnenministerium protestieren die PKK-Anhänger in Deutschland schon seit Wochen gegen das Verbot.

Weniger deutlich als die politische Motivation blieb nach der Entführung zunächst, ob es sich tatsächlich um eine planmäßige Vergeltungsaktion der PKK handelte. Auffällig war, dass die PKK selbst zunächst gar nichts von der Entführung zu wissen schien. Das normalerweise mitteilungsfreudige Hauptquartier der Rebellen in Nordirak schwieg jedenfalls dazu, und auch die PKK-nahen Medien konnten das Ereignis nur unter Berufung auf den türkischen Gouverneur vermelden. Möglicherweise handelt es sich deshalb um eine vereinzelte und unabgesprochene Aktion einzelner Rebellengruppen in der zunehmend zersplitterten Guerillaorganisation, die sich seit Jahren immer tiefer in innere Kämpfe verstrickt.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen in die Osttürkei

Sollte es sich bei der Entführung der Bergsteiger aber um eine geplante Aktion handeln, die von der PKK-Führung beschlossen wurde, wäre dies eine dramatische Wende in dem Konflikt. Zwar entführte die PKK bis Mitte der 90er Jahre immer wieder ausländische Touristen in der Osttürkei, doch schienen diese Zeiten längst vergangen. Seit fast 14 Jahren hatten die Rebellen keine Ausländer mehr angetastet, weil sie auf das Wohlwollen westeuropäischer Staaten wie der Bundesrepublik setzten, wo viele ihrer Anhänger und Funktionäre leben, organisieren, publizieren, ausbilden und Geld sammeln. Sollten sie aus Wut über das Durchgreifen deutscher Behörden nun nach fast eineinhalb Jahrzehnten wieder zu Entführungen zurückkehren, würden nicht nur Urlauber am Ararat in den Konflikt hineingezogen.

Das scheint auch das Auswärtige Amt zu befürchten, das umgehend eine Reisewarnung für mehrere osttürkische Provinzen verschickte. Wegen des deutschen Vorgehens gegen Roj TV lägen Gefährdungshinweise für die Provinzen Mardin und Hakkari vor, von Reisen in die Provinzen Agri und Sirnak werde wegen Entführungsgefahr dringend abgeraten, warnte das Auswärtige Amt.

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