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Türkei: Erdogan führt Kopftuch wieder ein

In der Türkei hat die mit Zweidrittelmehrheit regierende AKP ihre Pläne wahr gemacht und für die Aufhebung des Kopftuchverbots an Universitäten gestimmt. Kritiker sehen nun einmal mehr die Trennung von Religion und Staat gefährdet.

Für die geplanten Verfassungsänderungen, wonach es um die Kopftuch-Freigabe an staatlichen Universitäten geht, votierten am Mittwoch von den 550 Abgeordneten des türkischen Parlaments 404 in geheimer Abstimmung für die geplanten Verfassungsänderungen, 92 stimmten dagegen, wie Parlamentsvizepräsident Nevzat Pakdil nach einem mehr als 13-stündigen Beratungsmarathon mitteilte. Die nötige Zweidrittel-Mehrheit sei damit erreicht.

Die islamisch geprägte Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und die nationalistische Partei MHP wollen den 10. und den 42. Artikel der Verfassung ändern und damit die Freigabe des Kopftuchs erreichen. In der geplanten Änderung heißt es mit Blick auf verschleierte junge Frauen, niemandem dürfe "das Recht auf höhere Bildung" verwehrt werden. Für Beamtinnen, Schülerinnen und Parlamentarierinnen soll das Verbot allerdings in Kraft bleiben. An den türkischen Universitäten wird es bislang unterschiedlich streng umgesetzt. Manche Frauen verzichten jedoch deswegen auf ein Studium, andere verbergen ihr Kopftuch in Vorlesungen unter einer Perücke.

Opposition: AKP missbraucht religiöse Gefühle

Der stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen CHP, Kemal Anadol, kritisierte im Parlament die Pläne der Regierung. Diese hätten zum Ziel, den Laizismus zu untergraben, sagte er vor den Abgeordneten. Die CHP-Abgeordnete Nur Serter warf der AKP vor, religiöse Gefühle zu missbrauchen und die Türkei in einen islamischen Staat umwandeln zu wollen. "Der Schleier spaltet das Land und macht aus den Frauen Bürger zweiter Klasse", sagte sie. Nach Ansicht der sozialdemokratische Opposition ist die Freigabe des Schleiers an den Hochschulen nur der erste Schritt, das Kopftuch auch in öffentlichen Ämtern und Schulen zuzulassen.

Das Kopftuch ist seit einem Urteil des Verfassungsgerichts Ende der achtziger Jahre an den Hochschulen verboten; die Richter interpretierten das Kopftuch damals als anti-laizistisches Symbol. Ein klares gesetzliches Verbot des Kopftuchs gibt es in der Türkei aber nicht.

Am Ende entscheidet das Straßburger Menschenrechtsgericht

Da die AKP und MHP im Parlament zusammen über mehr als 400 der 550 Sitze verfügen, ist damit zu rechnen, dass die Verfassungsänderung auch in der zweiten Lesung am Samstag verabschiedet werden. Nach der Zustimmung von Staatspräsident Abdullah Gül kann die Novelle dann in Kraft treten. Die CHP kündigte allerdings bereits an, eine Verfassungsänderung vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Experten rechnen damit, dass das Gericht die Änderung kippen und das Kopftuchverbot damit zementieren wird. Der Streit könnte dann erneut vor dem Straßburger Menschenrechtsgericht landen, das vor vier Jahren das türkische Kopftuchverbot zwar bestätigte, ein solches Verbot aber nicht zwingend vorschrieb. (nal/AFP)

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