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Türkei: Erdogan wegen deutscher Spendenaffäre unter Druck

Die türkische Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan versucht sich von einer Spendenaffäre in Deutschland zu distanzieren. Doch die Opposition riecht Blut. Jetzt soll der Chef der türkischen Fernseh- und Hörfunkaufsicht RTÜK, Zahit Akman, zurücktreten.

Rette sich wer kann: Die Regierung des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan schaltet wegen einer Spendenaffäre in Deutschland auf Schadensbegrenzung. Sie forderte den Chef der türkischen Fernseh- und Hörfunkaufsicht RTÜK, Zahit Akman, jetzt öffentlich zum Rücktritt auf. Akman soll an der von einem deutschen Gericht aufgedeckten Unterschlagung von millionenschweren Spendengeldern von Türken in Deutschland beteiligt gewesen sein. Bisher hatte Erdogan den RTÜK-Chef in Schutz genommen. Doch jetzt hat die türkische Justiz mit eigenen Ermittlungen begonnen - es wird also gefährlich für die Regierung. Deshalb will sie Akman jetzt loswerden.

Er selbst habe Akman den Rücktritt nahegelegt, sagte der für die RTÜK-Behörde zuständige Vize-Premier Bülent Arinc in einem Fernsehinterview. Er halte Akman zwar für einen honorigen Mann und fleißigen Beamten, doch sei er wegen der vielen Berichte über seine Verwicklung in den Skandal nicht mehr zu halten. Akman, der mit der Parlamentsmehrheit von Erdogans AK-Partei ins Amt gekommen war, habe seiner Sicht der Dinge zugestimmt. Deshalb wird nun mit einem baldigen Rücktritt des Behördenchefs gerechnet. Seine Amtszeit ist ohnehin fast zu Ende.

Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Ankara-interne Angelegenheit, ist für die Regierung ein potenzielles Desaster mit weitreichenden Folgen. Die Wahlerfolge von Erdogans AK-Partei - "ak" heißt auf Türkisch weiß oder rein - der vergangenen Jahre beruhten nicht zuletzt auf der Überzeugung vieler Türken, dass die Regierungspartei weniger korrupt sei als andere Parteien. Dieser gute Ruf droht der AK-Partei nun verloren zu gehen.

Im vergangenen September hatte das Frankfurter Landgericht drei Vertreter der türkischen Wohlfahrtsorganisation "Deniz Feneri" - Leuchtturm - zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie mindestens 14,5 Millionen Euro unterschlagen hatten. Das Geld war bei Türken in Deutschland für angeblich wohltätige Zwecke gesammelt worden, wanderte aber in Firmen der "Feneri"-Führungsleute. Auch Akman soll an dem Skandal beteiligt gewesen sein. Nach Ansicht der türkischen Opposition floss zumindest ein Teil des unterschlagenen Geldes an die AK-Partei oder parteinahe Medien.

Lange hatte Erdogan die Aufregung um den Skandal als regierungsfeindliche Kampagne abgetan. Doch der Ruf der AK-Partei bei den Wählern hat Schaden genommen. Bei den Kommunalwahlen im März sackte die Regierungspartei im Vergleich zu vorherigen Wahlen erheblich ab.

Unterdessen forderte die türkische Justiz die "Feneri"-Unterlagen aus Deutschland an und ließ sie übersetzen: 1750 Seiten waren es insgesamt, die Übersetzung dauerte fast drei Monate. Nun durchforsten drei Staatsanwälte die Dokumente. Ihnen geht es um die Frage, bei welchen Empfängern in der Türkei das unterschlagene Geld aus der Bundesrepublik gelandet ist. Wann ein türkischer "Feneri"-Prozess zu erwarten ist, steht derzeit noch nicht fest. Doch die Staatsanwälte betonte bei einer Pressekonferenz, dass sie die Spuren gründlich verfolgen und dabei auch nicht vor Prominenten Halt machen wollen: "Die Untersuchung geht dahin, wohin uns die Beweise eben führen", sagte der Leitende Staatsanwalt Hüseyin Boyrazoglu.

Die Oppositionspartei CHP glaubt bereits zu wissen, welches Ziel die Ermittlungen am Ende erreichen werden. "Feneri"-Spendengelder seien an eine politische Partei in der Türkei geflossen, erklärte CHP-Vorstandsmitglied Ali Kilic vor einigen Tagen unter Berufung auf Akten aus Deutschland. Um welche Partei es sich dabei handelte, musste Kilic nicht ausdrücklich sagen - jeder in der Türkei wusste, dass er die AK-Partei meinte.

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