zum Hauptinhalt
Bundespräsident Christian Wulff und die Frau des Präsidenten der Republik Türkei, Hayrünnisa Gül.

© dpa

Türkei: Erst die Opfertiere, dann der Bundespräsident

Das Echo auf Wulffs Rede war im türkischen Parlament eher verhalten. Für die Öffentlichkeit ging es am ersten Besuchstag des deutschen Präsidenten eher um Präsident Güls Gattin Hayrünnissa. Wie die Türkei den Wulff-Besuch sieht.

Der deutsche Präsident kommt, aber erstmal sind die Opfertiere dran. Es ist kurz nach drei Uhr am Dienstagnachmittag im Plenarsaal des türkischen Parlamentes, Christian Wulff hat sich zur ersten Rede eines deutschen Bundespräsidenten vor den Abgeordneten in Ankara angemeldet. Aber zunächst spricht ein Oppositionspolitiker leidenschaftlich über die Verfehlungen der regierungsamtlichen Agrarpolitik, die allerhand schlimme Folgen habe und nun auch noch den Preis für die Opfertiere beim anstehenden islamischen Opferfest in die Höhe treibe. Erst als der Mann fertig ist, kommt Wulff in den Saal.

Nicht ganz voll ist das Plenum zu diesem Zeitpunkt, aber auch nicht gefüllt schlecht für einen Dienstag, den ersten Tag der Sitzungswoche, sagt ein westlicher Diplomat. Immerhin haben auf der Regierungsbank nicht nur Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Europa-Minister Egemen Bagis Platz genommen, um Wulff zuzuhören: Auf dem Besucherbalkon sitzt auch Staatspräsident Abdullah Gül, mit dem Wulff kurz zuvor zusammengetroffen war. Ein wenig feierlich ist es also schon.

Für Wulff ist diese Rede sehr wichtig. Aus seiner Sicht bildet sie das Gegenstück zu seiner Bremer Rede am Tag der Deutchen Einheit Anfang des Monats. Damals hatte er betont, dass auch der Islam zu Deutschland gehöre - nun ergänzt er vor den türkischen Abgeordneten: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei." Niemand klatscht, es gibt aber auch keine Unmutsäußerungen aus den Sitzreihen der Nationalisten, die Christen als potenzielle Landesverräter sehen.

Überhaupt ist das Echo auf die Wulff-Rede im Parlament eher verhalten. Nur einmal gibt es Zwischenapplaus für den deutschen Staatsschef: Als er der Türkei für die Aufnahme von Nazi-verfolgten Künstlern und Wissenschaftlern in dern 190ern dankt. Am Ende erheben sich die meisten Abgeordneten zwar von ihren Plätzen, um dem deutschen Staatsoberhaupt zu applaudieren, doch der Beifall plätschert eher dass er rauscht, und nach wenigen Sekunden fährt ohnehin der stellvertretende Parlamentspräsident dazwischen: "Ich unterbreche die Sitzung für zehn Minuten." Dann soll es weiter gehen im Routineprogramm des Parlaments.

Die deutsche Integrationsdebatte war in den vergangenen Wochen in der Türkei von den Medien zwar verfolgt worden, aber so richtig aufregen konnten sich die Türken nicht einmal über Thilo Sarrazin. Lediglich Spitzenpolitiker wie Gül und Erdogan schalteten sich in Interviews oder während Besuchen in Deutschland in die innerdeutsche Debatte ein und stärkten Wulff den Rücken. Gül bekräftigt dies bei seinem ersten Treffen mit dem Bundespräsidenten mit den Worten, die Türken in der Bundesrepublik sollten so gut es gehe Deutsch lernen.

Für die türkische Öffentlichkeit ging es am ersten Besuchstag des deutschen Präsidenten nicht so sehr um Wulff oder dessen Frau Bettina, sondern um Güls Gattin Hayrünnissa: Die türkische First Lady mit islamischem Kopftuch schritt erstmals gemeinsam mit ihrem Mann und ausländischen Gästen die Ehrenformation der türkischen Armee ab. Bisher hatte sie darauf mit Rücksicht auf die strikt säkulären Militärs verzichtet, doch inzwischen glaubt Gül, den Generälen den Anblick einer verschleierten Präsidentengattin zumuten zu können. "Premiere bei der Ehrengarde", meldete deshalb die Internetausgabe von "Hürriyet".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false