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Das EU-Parlament stimmte am Donnerstag für die Aussetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei.

© Patrick Seeger/dpa

Türkei: EU-Parlament fordert Aussetzung der Beitrittsgespräche

Das EU-Parlament fordert in einer Resolution die Aussetzung der Türkei-Gespräche. Die Bundesregierung ist dagegen.

Das Europaparlament hat sich für eine Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen. Die Abgeordneten in Straßburg forderten am Donnerstag in einer Resolution mit breiter Mehrheit, dass die Europäische Union die seit 2005 laufenden Beitrittsgespräche aussetzen müsse, falls Ankara die Beschlüsse des türkischen Verfassungsreferendums vom vergangenen April ohne Änderungen umsetzt. Die Verfassungsänderungen, die bis 2019 in Kraft treten sollen, sehen einen erheblichen Ausbau der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan zulasten des Parlaments und der Justiz vor.

Nach den Worten der Türkei-Berichterstatterin des EU-Parlaments, der niederländischen Abgeordneten Kati Piri, besteht das Ziel der Resolution nicht in einem Abbruch sämtlicher Brücken zu dem Land am Bosporus. So soll an der geplanten Visaliberalisierung für Bürger aus der Türkei und dem geplanten Ausbau der Zollunion festgehalten werden.

Der Einfluss des Europaparlaments in solchen Fragen ist allerdings nur begrenzt. Die Entscheidung, ob die Beitrittsgespräche mit der Türkei tatsächlich ausgesetzt werden, liegt in der Hand der EU-Mitgliedstaaten und der Brüsseler Kommission. Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission sind unterm Strich dagegen, die Verhandlungen auszusetzen. Als rote Linie gilt allerdings die Todesstrafe: Sollte Erdogan sie wieder einführen, dann wäre auch aus Sicht der Mitgliedstaaten ein Abbruch der Gespräche zwingend erforderlich.

Merkel und Gabriel gegen Abbruch der Gespräche

Unmittelbar nach dem türkischen Verfassungsreferendum im April hatten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gegen einen Abbruch der Gespräche ausgesprochen. Auch wenn sich bei den Gesprächen faktisch nichts mehr bewegt, zahlt die EU-Kommission weiter Millionen Euro an Vorbeitrittshilfen an Ankara. Diese Hilfen würden bei einem definitiven Ende der Gespräche wegfallen. Dies will die EU offenbar nicht riskieren. Einer der Gründe dürfte darin bestehen, dass die EU wegen der Flüchtlingskrise auf die Zusammenarbeit mit Ankara angewiesen ist.

Auch wenn die Resolution des EU-Parlaments keine bindende Wirkung hat, werden in Ankara Türkei-Beschlüsse der Straßburger Abgeordneten sehr genau registriert. Bereits im vergangenen November hatten die Parlamentarier nach der Verhaftung zehntausender Regierungskritiker im Anschluss an den gescheiterten Militärputsch vom Juli 2016 ein „Einfrieren“ der Gespräche gefordert. Damals hatte der türkische Europaminister Ömer Celik den Beschluss scharf kritisiert.

EU-Parlament geht noch einen Schritt weiter

Am Donnerstag ging das EU-Parlament im Vergleich zum vergangenen Herbst noch einen Schritt weiter. Schon vor der Abstimmung über die formale Aussetzung der Gespräche gab Erdogans Minister Celik diesmal zu Protokoll, dass sein Land nach wie vor eine EU-Vollmitgliedschaft anstrebe. Eine neue verstärkte Partnerschaft außerhalb des Beitrittsprozesses, wie sie unter anderem der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff forderte, lehnte Celik ab.

Allerdings kommen aus Ankara auch andere Signale. Vor zwei Monaten hatte Erdogan noch mit einem Ende der Gespräche gedroht, wenn die EU nicht neue Verhandlungskapitel eröffnet. Mit den Worten „Auf Wiedersehen, wenn Sie es nicht tun“ hatte er seine Forderung bekräftigt. Der Staatschef scheint weiterhin einen EU-Beitritt anzustreben – aber zu seinen Bedingungen. Offenbar glaubt Erdogan, wegen der Flüchtlingskrise gegenüber der Europäischen Union am längeren Hebel zu sitzen.

Auf der anderen Seite kann die EU im Fall der Türkei nicht die sogenannten Kopenhagener Kriterien über Bord werfen, die jeder Beitrittskandidat erfüllen muss. Dazu zählen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenwürde. In der am Donnerstag verabschiedeten Resolution heißt es denn auch, dass die von Erdogan angestrebte Alleinherrschaft „nicht den Grundsätzen der Gewaltenteilung“ entspreche.

Abgeordnete Piri glaubt nicht an echten Willen auf beiden Seiten

Derweil glaubt die Straßburger Türkei-Berichterstatterin Kati Piri nicht, dass die Türkei und die EU-Seite den Beitrittsprozess überhaupt noch ernsthaft verfolgen. „Deshalb betreiben beide Seiten ein Schwarzer-Peter-Spiel“, sagte die Abgeordnete dem europapolitischen Onlinemagazin EurActiv.

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