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Türkei-Frage: Steinmeier fordert von Merkel mehr "Augenmaß"

In der großen Koalition ist offener Streit über die Türkei-Politik der Regierung ausgebrochen. Außenminister Steinmeier warnt die Kanzlerin vor einem zu scharfen Kurs und wird dafür von CDU-Fraktionschef Kauder gerügt.

Berlin - Während Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Samstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einer Verschärfung ihres Kurses warnte, wies Unions-Fraktionschef Volker Kauder die Äußerungen als "völlig unnötig" zurück.

Anlass der Differenzen ist das neue Angebot der Türkei in der festgefahrenen Zypern-Frage. Ankara stellte am Donnerstag überraschend die Öffnung eines Seehafens für zyprische Schiffe in Aussicht. Dies wurde von der Europäischen Union als "ein erster, positiver Schritt" gewertet, der aber noch nicht ausreiche. Die EU dringt darauf, dass Ankara wie zugesagt Zypern völkerrechtlich anerkennt und die Handelsbeschränkungen komplett aufhebt.

Angesichts der jüngsten Initiative Ankaras, über deren Konsequenz die EU-Außenminister am Montag entscheiden wollen, sprach sich Steinmeier dafür aus, "dass die europäische Reaktion von Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein bestimmt wird". Er betonte: "Wir dürfen nicht in einem Maße überreizen, dass der Annäherungsprozess, für den wir viele Jahre gebraucht haben, in einer Woche zu Fall gebracht wird."

EU-Kommissar: Vorschlag ernst nehmen

Ähnlich wird die Lage in Brüssel bewertet. Sowohl EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn als auch EU-Handelskommissar Peter Mandelson sprachen sich dafür aus, den Ankara-Vorschlag ernst zu nehmen. Beide forderten zwar ein weiteres Entgegenkommen der Türkei, wiesen zugleich aber auf die große Chance für die EU hin, die ein Beitritt des islamisch geprägten Landes bringen könne.

Demgegenüber lehnte CSU-Chef Edmund Stoiber einen EU-Beitritt der Türkei erneut ab. Mit seiner Weigerung, Zypern völkerrechtlich anzuerkennen, verstoße Ankara gegen den europäischen Rechtsgrundsatz der Vertragstreue und zeige, dass die Türkei "kein europäisches Land ist", sagte Stoiber. Daher müsse die EU die Verhandlungen "sofort und vollständig" auf Eis legen.

"Schwerer strategischer Verlust"

Für den EU-Kommissar Mandelson ist eine Unterbrechung der Beitrittsverhandlung keine Lösung. "Wir können doch nicht allen Ernstes hinnehmen, dass dieser enorm wichtige Prozess wegen der Zypern-Frage lahm gelegt würde", argumentierte er. Ähnlich äußerte sich Steinmeier, der von einem "schweren strategischen Verlust für die EU" sprach, sollte sich die Türkei von Europa abwenden.

Unions-Fraktionschef Kauder sowie sein Vize Andreas Schockenhoff (beide CDU) stellten sich derweil hinter den Türkei-kritischen Kurs Merkels und verwahrten sich gegen die Steinmeier-Kritik. "Ich kann dem Außenminister nur raten, hier nicht eine grundsätzlich andere Position zu vertreten als die Kanzlerin", sagte Kauder. (tso/ddp)

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