zum Hauptinhalt
Ankara

© AFP

Türkei: Parlament erlaubt Kopftuch an Universitäten

Junge Frauen, die das traditionelle islamische Kopftuch tragen, können in der Türkei wieder zum Studium zugelassen werden. Die Aufhebung des umstrittenen Kopftuchverbots stößt allerdings auf heftige Proteste.

Die Abgeordneten des türkischen Parlaments stimmten am Samstag erneut mit großer Mehrheit für Verfassungsänderungen, die das Kopftuch an Universitäten erlauben. In der Nacht zum Donnerstag war die Neuregelung bereits in erster Lesung mit großer Mehrheit beschlossen worden. Unterdessen protestierten in Ankara zehntausende Gegner des Gesetzes, die die Reform als Zeichen einer schleichenden Islamisierung der Türkei betrachten. Die Oppositionspartei CHP will die Verfassungsänderung juristisch anfechten.

403 von 550 Abgeordneten votierten in zweiter Lesung in zwei verschiedenen Abstimmungen für einen Vorstoß der Regierungspartei AKP, den jungen Frauen an den Hochschulen das Tragen von Kopftüchern freizustellen. Da die vom Parlament beschlossenen Verfassungsänderungen zu einer umfangreicheren Reform gehören, mussten die Abgeordneten später noch einmal über das Gesamtpaket abstimmen. Auch dieses erhielt mit 411 Stimmen eine breite Unterstützung. Nach der Zustimmung von Staatspräsident Abdullah Gül kann die Novelle dann in Kraft treten.

Ganzkörperverschleierung bleibt verboten

Die islamisch geprägte AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und die nationalistische Partei MHP hatten den Gesetzesentwurf eingebracht, mit dem sie den 10. und den 42. Artikel der Verfassung ändern wollen. In der geplanten Änderung heißt es mit Blick auf verschleierte junge Frauen, niemandem dürfe "das Recht auf höhere Bildung" verwehrt werden. Für Beamtinnen, Schülerinnen und Parlamentarierinnen soll das Verbot allerdings in Kraft bleiben. Die Gesetzesnovelle erlaubt auch nur das traditionell türkische Kopftuch, das unter dem Kinn gebunden wird. Der strenger gebundene Türban, der auch um den Hals gewickelt wird, sowie Ganzkörperverschleierungen sollen aber verboten bleiben.

Das Militär, Justizvertreter und Hochschulprofessoren sehen in der Aufhebung des Kopftuchverbotes einen Verstoß gegen das Prinzip der strikten Trennung von Staat und Religion in der Türkei. Zehntausende Demonstranten schwenkten türkische Flaggen und Bilder des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk in den Straßen von Ankara. "Die Türkei ist ein laizistischer Staat und wird es bleiben", riefen sie. Rund 70 unterschiedliche Organisationen hatten zu der Demonstration aufgerufen. Bereits am vergangenen Wochenende protestierten über 100.000 Menschen gegen die Aufhebung des Kopftuchverbots. Sie fürchten, dass damit künftig Druck auf Frauen ausgeübt werde und das Kopftuch nach und nach auch in Schulen und Behörden Einzug hält.

Muss Straßburg den Streit schlichten?

Die Oppositionspartei CHP, die für eine strenge Trennung von Staat und Religion eintritt, kündigte bereits an, die Verfassungsänderung vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Experten rechnen damit, dass das Gericht die Änderung kippen und das Kopftuchverbot damit zementieren wird. Der Streit könnte dann erneut vor dem Straßburger Menschenrechtsgericht landen, das vor vier Jahren das türkische Kopftuchverbot zwar bestätigte, ein solches Verbot aber nicht zwingend vorschrieb.

Das Kopftuch ist seit einem Urteil des Verfassungsgerichts Ende der achtziger Jahre an den türkischen Hochschulen verboten; die Verfassungsrichter interpretierten das Kopftuch damals als anti-laizistisches Symbol. Ein klares gesetzliches Verbot des Kopftuchs gibt es in der Türkei aber nicht. An den türkischen Universitäten wird das Kopftuchverbot bislang unterschiedlich streng umgesetzt. Manche Frauen verzichten jedoch deswegen auf ein Studium, andere verbergen ihr Kopftuch in Vorlesungen unter einer Perücke. (smz/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false