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Türkei: Parlament für Direktwahl des Präsidenten

In der Türkei ist die AKP-Regierung von Ministerpräsident Erdogan ihrem Ziel, den Präsidenten vom Volk wählen zu lassen, ein Stück näher gekommen. Eine entsprechende Verfassungsänderung fand im Parlament eine Mehrheit.

Ankara - Der Präsident der Türkei soll künftig vom Volk gewählt werden. Das beschloss das Parlament in Ankara gegen die Stimmen der größten Oppositionspartei in erster Lesung. Für die von der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsänderung bedarf es einer zweiten Lesung. Diese kann frühestens am Donnerstag - nach Ablauf von 48 Stunden - stattfinden. Darüber hinaus ist die Zustimmung des amtierenden Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer nötig, der die Pläne der Regierung zu Fall bringen kann. Die AKP war am Sonntag auch im zweiten Anlauf damit gescheitert, Außenminister Abdullah Gül vom Parlament zum neuen Präsidenten wählen zu lassen. Gül hatte daraufhin seine Kandidatur zurückgezogen.

Die Regierungspartei AKP hatte die Beratungen über die heftig umstrittene Direktwahl des Präsidenten gegen den Widerstand der oppositionellen Republikanischen Volkspartei CHP durchgesetzt. Deren Vertreter kritisierten, dass eine Direktwahl des Präsidenten einschneidende Folgen für das parlamentarische System mit sich bringe. Nachdem die Nationalversammlung bereits Neuwahlen für den 22. Juli beschlossen habe, sei das gegenwärtige Parlament zu solch weit reichenden Verfassungsänderungen nicht berechtigt.

Vorbild Frankreich

Die Änderungen sehen eine Wahl des Staatsoberhaupts durch das Volk, eine fünfjährige Amtszeit und die Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl vor. Nach französischem Vorbild soll der Präsident in zwei Wahlgängen gewählt werden. Außerdem soll die Legislaturperiode von fünf auf vier Jahre verkürzt werden. Beobachter gehen davon aus, dass in der zweiten Lesung eine Zweidrittelmehrheit von 367 Stimmen zu Stande kommt, weil die Regierungspartei (352 Mandate) mit der Unterstützung der bürgerlich-konservativen Mutterlandspartei Anavatan rechnen kann. Diese verfügt über 20 Parlamentsmandate.

Die politische Krise war durch ein Urteil des Verfassungsgerichts ausgelöst worden, wonach mindestens zwei Drittel der Abgeordneten bei einer Wahl des Präsidenten durch das Parlament anwesend sein müssen. Dies war am Sonntag nicht der Fall, weil viele Oppositionspolitiker auch die Wiederholung des Wahlgangs mit Außenminister Gül als einzigem Kandidaten boykottierten. Vorausgegangen waren massive Warnungen der Militärführung, die als Androhung eines Einschreitens angesehen worden waren, falls ein islamisch geprägter Politiker in den Präsidentenpalast gewählt werden sollte. (tso/dpa)

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