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Bei einem Selbstmordanschlag in einer Einkaufsstraße in Istanbul sind mehrere Menschen getötet worden.

© dpa/DENIZ TOPRAK

Update

Türkei: Selbstmordanschlag in Istanbul, fünf Tote und 36 Verletzte

Eine Explosion hat am Samstag das Zentrum von Istanbul erschüttert. Fünf Menschen wurden getötet, 20 verletzt. Laut Medienberichten ist ein Deutscher unter den Verletzten.

Die Türkei erlebt eine Terrorwelle eines noch nie dagewesenen Ausmaßes. Knapp eine Woche nach dem verheerenden Anschlag von Ankara mit 37 Toten sprengte sich am Samstag ein Selbstmordattentäter auf der beliebtesten Einkaufsstraße der Metropole Istanbul in die Luft und riss fünf Menschen mit sich in den Tod.

Nach amtlichen Angaben sind 36 Menschen verletzt worden, sieben davon schwer. Unter den Verletzten seien zwölf Ausländer, teilte Gesundheitsminister Mehmet Muezzinoglu am Samstag weiter mit. Laut CNN Türk befindet sich unter den Verletzten auch ein Deutscher. Der Sender beruft sich auf Informationen des Gesundheitsministeriums. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte auf Anfrage mit, die Informationen würden geprüft. Laut CNN Türk kamen sechs weitere Verletzte aus Israel, zwei aus Irland, sowie jeweils ein Verletzter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Island und dem Iran.

Nach der neuen Gewalttat fällt der Verdacht auf extremistische Kurden. Die Anschläge dürften in der EU die Diskussion über die Visafreiheit für Türken und die Einstufung des Landes als sicherer Drittstaat für die Flüchlingsrückführung neu anfachen.

Nach Medienberichten zündete der Selbstmordattentäter den Sprengsatz auf der Istiklal Caddesi in der Nähe des zentralen Taksim-Platzes im europäischen Teil Istanbuls gegen 10 Uhr (MEZ) möglicherweise früher als geplant. Viele Geschäfte hatten zur Tatzeit noch nicht geöffnet; zudem hielt nasskaltes Wetter viele Istanbuler und Touristen zu Hause und in den Hotels.

Eine Zeugin des Anschlags war offenbar Skin, die Frontfrau der britischen Band Skunk Anansie. „Massive Bombenexplosion vor unserem Hotel“, schrieb die 48-Jährige am Samstag bei Twitter. „Ich bin ok, sehr erschüttert, tote Menschen, schreckliche Szenen“. Das Gebäude habe gezittert. „Die Stadt ist gesperrt, überall bewaffnete Polizisten in Zivil, beängstigende Zeiten“, schrieb die Sängerin bei Facebook, wo sie auch den Opfern und Familien ihre Anteilnahme aussprach.

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Die Online-Ausgabe der Zeitung „Hürriyet“ meldete, die Polizei gehe der Frage nach, was das eigentliche Ziel des Attentäters gewesen sein könnte. Ein Video, das von einer Überwachungskamera vom Anschlagsort stammen soll, zeigt eine Explosion inmitten von einigen Passanten. Augenzeugen berichteten von einem lauten Knall. Hubschrauber kreisten am Samstag über dem Unglücksort, Rettungswagen rasten zur Detonationsstelle. Die Polizei sperrte die Einkaufsstraße Istiklal weiträumig ab.

Es war bereits der vierte schwere Anschlag in der Türkei in diesem Jahr. Im Januar tötete ein mutmaßlicher Anhänger des Islamischen Staates (IS) in Istanbul zwölf deutsche Touristen, im Februar und am vergangenen Sonntag töteten Extremisten der kurdischen Gruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) in Ankara insgesamt mehr als 60 Menschen. Die TAK ist eine Unterorganisation der PKK-Kurdenrebellen; die PKK liefert sich seit Monaten schwere Gefechte mit den türkischen Sicherheitskräften im Südosten der Türkei mit bisher bereits mehr als tausend Toten. Am Samstag wurde der Tod eines weiteren Polizisten gemeldet.

Türken danken deutschen Behörden für Terrorwarnung

Insbesondere wegen des bevorstehenden kurdischen Neujahrsfestes Newroz am kommenden Montag war in der Türkei mit neuen Gewalttaten gerechnet worden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte eine harte Antwort auf die Gewalt der PKK und der TAK angekündigt. Die türkische Luftwaffe flog am Freitagabend und am Samstagmorgen erneut Angriffe auf Stellungen der PKK im Nordirak.

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Wegen einer Anschlagswarnung gegen deutsche Einrichtungen in der Türkei hatte die Bundesregierung diese Woche das Konsulat in Istanbul, die Botschaft in Ankara sowie die deutschen Schulen in beiden Städten geschlossen. Das Istanbuler Konsulat liegt nur wenige hundert Meter von dem Ort des Anschlags vom Samstag entfernt. Am Freitagabend hatte die Vertretung mitgeteilt, dass am Montag wieder der normale Besucherverkehr beginnen werde.

Am Samstag rief das Konsulat die Bundesbürger in Istanbul auf, „in den nächsten Stunden die Innenstadt“ zu meiden. Touristen sollten sich über die Medien sowie die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts informiert halten, teilte das Ministerium mit. Anweisungen der türkischen Sicherheitskräfte sei unbedingt Folge zu leisten. Generell sei in Istanbul, Ankara und anderen Großstädten der Türkei erhöhte Vorsicht angebracht.

Das Auswärtige Amt riet Deutschen in der Stadt weiterhin zu großer Vorsicht. „Reisenden in Istanbul wird geraten, öffentliche Plätze, auch touristische Attraktionen und allgemein Menschenansammlungen in den nächsten Tagen zu meiden“, hieß es am späten Samstagnachmittag in einem aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweis. Am Mittag hatte das Ministerium Touristen empfohlen, in ihren Hotels zu bleiben.

Auf Twitter dankten am Samstag viele Türken unter dem Hashtag #DankeSchönDeutschland den deutschen Behörden für die Terrorwarnung der vergangenen Tage. Eine Twitter-Nutzerin schrieb, ohne die Warnung der Deutschen wäre sie am Samstagvormittag mit einer 67-köpfigen Schülergruppe auf der Istiklal Caddesi unterwegs gewesen.

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Der Terror der vergangenen Wochen sorgt in der türkischen Öffentlichkeit teilweise für Panik. Nach der Explosion vom Samstag war in den sozialen Netzwerken von Anschlägen auch in anderen Istanbuler Stadtteilen die Rede, was sich jedoch als falsch erwies. Viele Istanbuler sind verängstigt. Ein Geschäftsmann sagte am Samstag, er fahre schon seit längerer Zeit nicht mehr in die Gegend um Taksim und Istiklal Caddesi.

Hunderttausende Menschen aus Südostanatolien vertrieben

Der neu aufgeflammte Kurdenkonflikt hat seit dem Sommer mehrere hunderttausend Menschen aus ihrer Heimat in Südostanatolien vertrieben, wo mehrere Städte durch die Kämpfe teilweise zerstört worden sind. Kurdenpolitiker warnen, der Konflikt könne eine neue Fluchtwelle nach Europa auslösen. Da die EU der Türkei im Rahmen der Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise eine Abschaffung der Visapflicht Ende Juni in Aussicht gestellt hat, könnte es eine neue Debatte über eine solche Fluchtbewegung geben.

Auch die Diskussion über die Einstufung der Türkei als sicheres Drittland durch die EU dürfte wieder an Schärfe zunehmen. Türkei und EU hatten sich am Freitag auf eine Lösung geeinigt, nach der Ankara alle Flüchtlinge zurücknimmt, die ab Sonntag illegal über die Ägäis nach Griechenland gelangen. Im Gegenzug will die EU dann Syrer aus türkischen Flüchtlingslagern legal nach Europa holen. Ankara erhält zudem eine erhöhte Finanzhilfe von bis zu sechs Milliarden Euro bis 2018, die Visafreiheit und eine Neubelebung des EU-Beitrittsprozesses.

Die türkischen Behörden bemühten sich, die Entschlossenheit ihres Landes bei der Bekämpfung des Schlepperunwesens an der Küste zu unterstreichen. So nahmen türkische Sicherheitskräfte am Freitag – dem Tag des EU-Türkei-Gipfels – insgesamt 1734 Flüchtlinge fest, die nach Griechenland wollten. Es handelte sich um die größte Aktion ihrer Art bisher. Kritiker in der EU hatten den türkischen Behörden bisher vorgeworfen, zu wenig gegen die illegale Migration in der Ägäis zu unternehmen. (mit dpa)

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