Nach der gewaltsamen Auflösung von Protesten gegen ein Bauprojekt in Istanbul sind tausende Menschen bis zum Samstagmorgen durch die Straßen der Bosporus-Metropole gezogen. Ihre Proteste richteten sich nicht nur gegen das umstrittene Bauprojekt, sondern zunehmend auch gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. „Tayyip, schau wie viele wir sind“, riefen die Demonstranten im Wohnviertel Cihangir nahe des Taksim-Platzes, wo die Proteste ihren Ausgang nahmen. Viele Demonstranten warfen der Regierung autoritäres Gebaren und die Islamisierung der Gesellschaft vor.
Auslöser der Proteste war ein Projekt zur Errichtung eines Einkaufszentrums im Gezi-Park neben dem Taksim-Platz. Für das Bauvorhaben sollen in der beliebten Parkanlage 600 Bäume entwurzelt werden. Beim Vorgehen der Polizei gegen die Proteste wurden am Freitagabend zahlreiche Menschen verletzt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Augenzeugen sprachen von einem unverhältnismäßigen Gewalteinsatz. In der Nacht widersetzten sich tausende Demonstranten der Polizei und zogen in kleinen Gruppen durch die Straßen. Dabei schlugen sie auf Kochtöpfe, vielfach ermutigt von den Bewohnern.
In den Vierteln Beyoglu und Besiktas setzte die Polizei in der Nacht erneut massiv Tränengas ein, während die Demonstranten Steine auf die Einsatzkräfte warfen. Mehrere Straßen waren mit Pflastersteinen und Tränengashülsen übersät, andere von improvisierten Barrikaden blockiert. Hunderte Demonstranten suchten in Büros von Gewerkschaften Zuflucht, Ärzten richteten ein Notfallzentrum zur Behandlung der Verletzten ein. Aktivisten versuchten von einem Krisenzentrum aus, den Überblick zu wahren und Inhaftierten Anwälte zu vermitteln. In mehreren anderen Städten der Türkei gab es Proteste aus Solidarität mit den Demonstranten in Istanbul. (AFP)
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