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SPDlerin Michelle Müntefering soll von der Türkei ausspioniert worden sein.

© Bernd Thissen/ dpa

Update

Türkei und Deutschland: Türkischer Geheimdienst hat deutsche Politikerinnen auf Spionageliste

Der türkische Geheimdienst MIT hat eine Liste mit 300 Namen angeblicher Gülen-Anhänger in Deutschland. Darunter sind die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering und eine Berliner CDU-Politikerin.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering steht einem Medienbericht zufolge auf der Namensliste des türkischen Geheimdienstes MIT. Müntefering werden demnach "gute Beziehungen" zur islamischen Gülen-Bewegung vorgeworfen. Müntefering ist Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe.

Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) bestätigte in der Fragestunde des Bundestags, dass ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages ins Visier des türkischen Geheimdienstes MIT geraten sein soll. Auf der Namensliste, die der MIT im Februar dem Bundesnachrichtendienst übergeben habe, stehe „der Name eines Mitglieds dieses Hauses". Darüber hinaus habe „eine weitere Politikerin“ auf der Liste gestanden, die aber nicht dem Bundestag angehöre. Die zwei Politikerinnen werden auf der Liste den Angaben zufolge unter der Rubrik „Machtzentren und Nichtregierungsorganisationen“ geführt, mit denen die Gülen-Bewegung angeblich „gute Beziehungen“ aufgebaut habe.

Bei der zweiten deutschen Politikerin auf der Spionageliste handelt es sich, wie am Abend bekannt wurde, um die Berliner CDU-Landesparlamentarierin Emine Demirbüken-Wegner. Die Landesparteivorsitzende Monika Grütters sagte am Mittwoch: „Allein der Verdacht, Abgeordnete wie unsere Kollegin Emine Demirbüken-Wegner könnten durch den türkischen Geheimdienst ausspioniert worden sein, stellt einen neuen Tiefpunkt in der Beziehung zur türkischen Regierung dar.“ Der Vorfall sei „ein Angriff auf die Unabhängigkeit, die Würde und die Freiheit“ der Parlamente.

"Versuch kritische Positionen zu unterdrücken"

Müntefering bezeichnete ihre mutmaßliche Ausspähung als deutliche Grenzüberschreitung. „Dieses Vorgehen der türkischen Regierung zeigt einmal mehr den Versuch, kritische Positionen zu unterdrücken“, sagte sie. „Als Vorsitzende der Parlamentariergruppe stehe ich für Dialog und klare Worte, mit den unterschiedlichsten und schwierigsten Gesprächspartnern im In- und Ausland. Hier allerdings wird mit einem solchen Vorgehen erneut und deutlich eine Grenze überschritten.“ Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verurteilte die mutmaßliche Ausspähung scharf und verlangte eine harte Ansage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an Präsident Recep Tayyip Erdogan. „Ich erwarte, dass die Bundeskanzlerin klare Worte findet“, sagte Oppermann. Es sei „absolut unerträglich“ und mache ihn fassungslos, mit welcher Radikalität die türkische Regierung daran arbeite, das Verhältnis zu Deutschland zu verschlechtern. „Erdogan geht weit über das hinaus, was wir akzeptieren können. Er scheint keinerlei Interesse mehr an einer Partnerschaft mit Deutschland zu haben“, sagte Oppermann.

Liste soll 300 Anhänger der Gülen-Bewegung beinhalten

Türkische Agenten stehen im Verdacht, dass sie möglicherweise in großem Umfang angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben. Offenbar in der Hoffnung auf Unterstützung der deutschen Seite hatte der MIT dem BND-Präsidenten Bruno Kahl eine Liste mit mehr als 300 Namen überreicht. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben aber stattdessen die Betroffenen gewarnt.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte eine lückenlose Aufklärung durch den Generalbundesanwalt. Dessen Aufgabe sei es, alle verfügbaren Informationen auszuwerten und entsprechende Konsequenzen vorzuschlagen. „Das ist ein schwerer Vorwurf. Wir können auf gar keinen Fall dulden, dass Menschen, die in diesem Land leben, von ausländischen Geheimdiensten ausspioniert werden“, betonte er. Ob und in welchem Umfang die Vorwürfe zuträfen, müsse der Generalbundesanwalt klären.

Der Berliner Innensenator Geisel bestätigte dem Inforadio, dass auch seiner Behörde eine Liste des türkischen Geheimdienstes mit angeblichen Gülen-Anhängern vorliegt. (dpa)

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