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Verhältnis angespannt: Eine Brüsseler Angestellte beim Fahnenarrangieren vor dem Besuch Recep Tayyip Erdogans in Brüssel vor drei Jahren.

© Francois Lenoir/Reuters

Türkei und EU: Gabriel will Brexit als Modell für die Türkei

Der deutsche Außenminister macht Ankara ein Angebot. Interessanter als der Inhalt ist der Zeitpunkt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Ein „kluges Brexit-Abkommen“ als Modell auch für die künftigen türkisch-europäischen Beziehungen: Klingt auf Anhieb wie ein ganz neuer Start für das zerrüttete Verhältnis zwischen der EU und Ankara, den der deutsche Außenminister da vorschlägt. Bei näherem Hinsehen wirkt Gabriels Vorschlag dann schon weniger frisch. Kaum anzunehmen, dass einer wie der türkische Präsident Erdogan, ehrpusselig und voller Misstrauen gegen eine Welt angeblicher Feinde, nicht heraushört, worauf das hinausläuft: auf jene „privilegierte Partnerschaft“, mit der ihn die Kanzlerin schon vor Jahren maximal verärgerte. Nur diesmal mit Geschenkschleife: Schau mal, du bist gleichauf mit den Briten. Die allerdings, wäre zu ergänzen, nicht jahrzehntelang vergeblich an die Tür der EU klopfen mussten wie die Türkei, sondern sie aus freien Stücken hinter sich zugeworfen haben. Bemerkenswert ist weniger Gabriels Vorschlag, sondern dass er ihn überhaupt macht, und jetzt. Die Botschaft an Erdogan ist eher: Einige politische Gefangene sind frei, lasst weitere folgen, an erster Stelle den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel, und wir werden das würdigen. So weit, so gut. Schlecht dagegen, dass Gabriel erneut und ohne Not die Gebetsmühle anwirft, „für die nächsten Jahre“ seien weder die Türkei noch die Ukraine als EU-Mitglieder denkbar. Europa ist viel zu rasch gewachsen und in einer schweren Krise. Da sollte das Mantra lauten: Wir brauchen eine lange Pause. Und nicht: Ihr passt nicht zu uns.

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