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Erdogan ändert seine Taktik im Syrien-Konflikt.

© AFP/JACQUES DEMARTHON

Türkei und Syrien: Erdogan zeigt sich kooperativ

Vor dem Hintergrund des Syrien-Krieges reagiert Erdogan auf die Bedrohung und ändert seine Haltung. Der neue Kurs weckt ein wenig Hoffnung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Mehr als fünf Jahre nach dem Ausbruch des Konfliktes in Syrien leitet die Türkei einen überfälligen Kurswechsel ein. Ankara will nicht mehr wie bisher alles dem Ziel einer Ablösung des syrischen Staatschefs Assad unterordnen und sucht die Zusammenarbeit mit Akteuren wie Russland und Iran: Nach seinem Besuch in Russland plant Präsident Erdogan jetzt eine Reise nach Teheran.

Mit den neuen Bemühungen gesteht Erdogan zum einen indirekt das Scheitern seiner bisherigen Haltung ein. Zum anderen reagiert er auf die Tatsache, dass der Syrien-Krieg immer mehr zu einer Bedrohung für die Türkei selbst wird.

Zu Beginn des Bürgerkrieges war die Regierung in Ankara ganz sicher, dass Assads Tage an der Macht gezählt seien – Assads alawitische Elite werde nicht Krieg gegen das ganze Volk führen können. Erdogan ließ sunnitische Rebellengruppen, darunter auch extremistische Milizen, in der Hoffnung unterstützen, damit die Entmachtung seines früheren Partners in Damaskus zu beschleunigen. Spätestens seit der Militärintervention Russlands an Assads Seite wurde dieser Plan zur Makulatur.

Inzwischen müssen fast drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei versorgt werden, der „Islamische Staat“ (IS) verübt blutige Anschläge auch auf türkischem Boden, die syrischen Kurden festigen ihre Macht entlang der türkischen Südgrenze und bereiten – so die Sorge in Ankara – die Bildung eines eigenen Staates vor.

Ganz einfach wird auch die neue Syrien-Politik für Ankara nicht werden. Nachdem Erdogan so lange die Ablösung Assads gefordert hat, riskiert er bei der syrischen Exilopposition und sunnitischen Gruppen wie den Muslimbrüdern einen erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust.

Eine Annäherung an den Iran dürfte zudem das Misstrauen sunnitischer Akteure wie Saudi- Arabien wecken. Auch kann der wachsende Einfluss von Moskau und Teheran im Nahen Osten nicht im Interesse der Türkei sein.

Vorerst aber hat Erdogan keine Alternative zum neuen Kurs. Er hat die Türkei mit seiner verfehlten Syrien-Politik in eine Sackgasse gesteuert. Wenn die Türkei jetzt eine neue, realistischere Position einnimmt, bedeutet das zwar nicht, dass der Konflikt vor einer politischen Lösung steht.

Doch mit einer flexibleren Haltung der Türkei hinsichtlich der Rolle von Assad wäre ein Ende des Krieges nicht mehr völlig ausgeschlossen. Das ist nicht viel an Hoffnung – aber mehr, als es seit Langem gegeben hat.

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