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Türkei: War Anschlag in Istanbul ein Racheakt?

Die Ermittlungen zu den Hintergründen des Anschlags vor dem US-Konsulat in Istanbul laufen auf Hochtouren - spekuliert wird in viele Richtungen.

Saniye Cinar wunderte sich, als ihr Sohn Bülent schon am frühen Mittwochmorgen aus dem Haus wollte, viel früher, als das für seinen Job in einem Istanbuler Textilbetrieb notwendig gewesen wäre. „Mutter, ich arbeite jetzt woanders“, sagte der 23-jährige Bülent. Er trank noch einen Tee, dann verschwand er. Wenige Stunden später starb Bülent Cinar vor dem schwer gesicherten Tor des US-Konsulats in Istanbul – als einer von drei Angreifern, die einen Polizeiposten vor dem Konsulat mit Pistolen und Gewehren attackiert hatten.

Sie könne nicht glauben, dass ihr Sohn in eine solche Sache verwickelt gewesen sei, sagte Bülents Mutter Saniye türkischen Reportern. Die Familie glaubt, dass der junge Mann von den anderen beiden Attentätern manipuliert worden sei. Unklar blieb am Donnerstag auch, woher die Waffen stammten, mit denen Bülent und die beiden anderen Angreifer drei Polizisten vor dem Konsulat töteten, bevor sie selbst erschossen wurden.

Anders als Cinar, der aus Igdir an der türkischen Grenze zu Armenien stammt, kommen die beiden anderen Angreifer, Raif Topcil und Erkan Kargin, aus dem südostanatolischen Bitlis. Dieser gemeinsame Herkunftsort von zwei der drei Attentäter könnte der Schlüssel zum Hintergrund des Anschlags sein, nehmen türkische Ermittler laut Zeitungsberichten an. Denn erst vor wenigen Tagen sei ein aus Bitlis stammender Al-Qaida-Kämpfer namens Abdül Fettah in Afghanistan von US-Truppen erschossen worden. Deshalb habe sich der Verdacht ergeben, dass der Angriff auf das Konsulat ein Racheakt der Extremisten aus Bitlis gewesen sein könnte. Gesichert sind diese Erkenntnisse noch nicht. Eine andere Theorie besagt, dass der Angriff im Zusammenhang mit dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Bagdad stand.

Erdogan traf am Donnerstag zu der eintägigen Visite in der irakischen Hauptstadt ein. Es ist der erste Besuch eines türkischen Premiers im Nachbarland seit der amerikanischen Irakinvasion und der Entmachtung von Saddam Hussein vor fünf Jahren. Zeitungskommentatoren merkten aber an, dass Erdogans Berater selbst die mitreisenden türkischen Journalisten aus Sicherheitsgründen bis zuletzt über das genaue Datum der Erdogan-Reise im Unklaren ließen. Es ist unwahrscheinlich, dass die vier Männer vor dem US-Konsulat in Istanbul besser über die Reisepläne des Ministerpräsidenten informiert waren als die türkischen Hauptstadtkorrespondenten.

Offiziell wollten sich Polizei und Staatsanwaltschaft zu den verschiedenen in der Öffentlichkeit debattierten Theorien am Donnerstag nicht äußern. Die Ermittlungen liefen weiter auf Hochtouren. Nach Medienberichten wurden vier Männer festgenommen. 

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